Wer im Straßenverkehr gelegentlich die Perspektive anderer Verkehrsteilnehmer einnimmt, tut viel für die Sicherheit, meint unsere Polizeireporterin Christine Bilger.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Radfahrer machen einiges richtig, gerade in einer Zeit, in der es kaum drängendere Themen gibt in der Stadt als Fortbewegungsarten, die der Luftqualität im Kessel zuträglich sind. Sie fahren emissionsfrei, und auch an den Staus, die die Straßen verstopfen, sind sie nicht schuld. Dennoch ist der Radfahrer am Straßenrand nicht jedermanns Liebling. Autofahrer nervt er, weil er Platz für sich in Anspruch nimmt – ein seitlicher Abstand von 1,50 Meter wird empfohlen. Fußgänger, auf deren Wege sich die Radfahrer inmitten der Enge des Autoverkehrs flüchten, haben Angst vor ihnen, wenn sie lautlos heranrollen. Nicht zuletzt fühlt sich der Radfahrer von allen nicht erwünscht und kämpft um jeden Meter eigenen Weges.

 

Oft verursachen Radfahrer die Unfälle selbst

In dieser Gemengenlage ist nun die Nachricht, dass immer mehr Radfahrer auf Stuttgarts Straßen verunglücken, zu betrachten. Eine differenzierte Analyse zeigt, dass nicht immer die anderen schuld sind. Denn immerhin 55 Prozent der Unfälle geschehen, weil der Radfahrer die Ursache selbst gesetzt hat – Pedelecfahrer sind mit 44 Prozent etwas weniger häufig selbst schuld. Das heißt, dass es nicht nur an den Konflikten zwischen den verschiedenen Verkehrsarten liegt, wenn ein Radfahrer zu Schaden kommt. Zur differenzierten Betrachtungsweise gehört aber auch, den Radfahrer deswegen noch lange nicht als Gefahr für alle Verkehrsteilnehmer zu verteufeln. Das ist er nicht, auch das belegen die Zahlen. Und im Zweifelsfall sind sie beim Zusammenstoß das Fahrzeug, das keine Knautschzone besitzt.

Was also hilft, um die Gefahr zu mindern, ist ein Perspektivwechsel. Wer es schafft, sich im Verkehrsgetümmel mal in die Rolle des anderen zu versetzen – des Radfahrers, vor dem plötzlich eine Autotür aufgeht, oder des Fußgängers, den auf einmal ein Radfahrer auf dem Gehweg überholt –, hat schon viel zur Entschärfung beigetragen.