Sind es die Flüsse? Sickergruben? Kaputte Kanalisation? Belgrad hat ein Problem mit dem Gestank. Was das Gesundheitsamt den Bürgern der Millionenstadt rät, macht einen sprachlos

Korrespondenten: Thomas Roser (tro)

Belgrad - In Serbiens Hauptstadt liegt stets etwas in der schweren Luft. Ob die Wasserpegel in der stolzen Zweistromstadt Belgrad steigen oder fallen, ob die Sonne sticht oder der Regen fällt: Immer häufiger machen stechende Kloakendüfte den geplagten Bewohnern der „Weißen Stadt“ zu schaffen.

 

Zur kalten Jahreszeit ist es der Wintersmog, der den Belgradern den Atem raubt. In den Sommermonaten sind es die eigenwilligen Duftnoten der Metropole, die die Nasen kräuseln und es einen grausen lassen. „Belgrad stinkt“, lautet allgemein die Klage.

15 Prozent der Haushalte sind nicht an die Kanalisation angeschlossen

Tatsächlich verfügt die pulsierende Millionenstadt über keine einzige funktionierende Kläranlage. 15 Prozent der Haushalte sind noch nicht einmal an die Kanalisation angeschlossen. Stattdessen gießen sich die ungeklärten Abwässer der müffelnden Hauptstadtperle aus mehr als 200 Rohren in Donau und Save. Bei starken Niederschlägen stehen die unfreiwilligen Nutzer der Sickergruben buchstäblich im eigenen Saft: Außer Hochwasser machen ihnen im übel riechendsten Fall auch noch überlaufende Fäkaliengruben zu schaffen.

Bei heißen Temperaturen breitet sich ein fauliger Gestank in immer kürzeren Intervallen über ganze Stadtteile aus. Waren es in den vergangenen Jahren vor allem die Bewohner tiefer gelegener Stadtteile unweit der Flussufer, trifft inzwischen auch die Bewohner höher gelegener Viertel beim Gang auf die Straße eine atemberaubende Geruchskeule.

Bewohner und Medien rätseln seit Wochen gemeinsam aber ohne klare Antwort über die Ursachen der in diesem Jahr merklich intensivierten Geruchsplage. Von der von den Landwirtschaftsbetrieben in den Außenbezirken versprühten Gülle bis hin zu dem durch unzählige Baustellen in Mitleidenschaft gezogenen Kanalisationssystem reichen die Erklärungen für die Belgrader Nasenqual.

Das Gesundheitsamt meldet, die Gesundheit sei nicht gefährdet

Mittlerweile hat sich auch der Städtische Gesundheitsdienst zu Wort gemeldet. Die erhöhten Temperaturen hätten zu einem Sinken der Flusspegel und der Schlammablagerung „reichhaltiger organischer Materialien“ aus Fäkalien und ungeklärten Abwässern an den Ufern geführt. Der Geruch sei zwar „außerordentlich unangenehm“, doch „nicht gesundheitsgefährdend“ und werde bei Änderung der Wetterlage verschwinden,lautet die Botschaft der kommunalen Gesundheitswächter: „Physisch-chemisch“ gesehen liege keine erhöhte Schadstoffbelastung vor. Die Belgrader Luft sei von „guter Qualität“.

„Es riecht nach Schweinerei, aber es besteht keinerlei Gefahr“, spöttelte daraufhin die Zeitung „Blic“. Kritiker der von der nationalpopulistischen SNS geführten Stadtverwaltung sehen den Geruch als Symbol der Missstände, die ihrer Meinung nach in Belgrad schon lange zum Himmel stinken. Für die städtischen Gesundheitshüter scheint jedoch eher die Wahrnehmung als die Ursache der Belgrader Duftnoten das Problem. An unangenehme Gerüche sollte man „sich genauso anpassen wie an Klimaveränderungen“, heißt ihr Rat an die verblüfften Bürger.