Das Haus der Geschichte in Stuttgart zeigt vom 14. Juni an die bundesweit erste große Ausstellung zur Geschichte der Roten Armee Fraktion. Unter den 200 Objekten, die zu sehen sein werden, befindet sich auch das Motorrad, von dem aus RAF-Mitglieder am 7. April 1977 den Generalbundesanwalt Siegfried Buback ermordet haben.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Seltsam fern und doch so nah – so empfinden viele Menschen die Geschichte der Roten Armee Fraktion (RAF), deren Terror den deutschen Südwesten in besonderem Maß erschüttert hat. Auch der Historikerin Sabrina Müller geht es so, die im Haus der Geschichte Baden-Württemberg an der neuen Ausstellung über die RAF maßgeblich mitgearbeitet hat: Einerseits liefen noch polizeiliche Ermittlungen gegen RAF-Mitglieder, andererseits habe manches Museum schon seit 15 Jahren Objekte aus der RAF-Zeit ausgestellt. Und die Emotionalität sei, wie Museumschef Thomas Schnabel feststellt, in allen Debatten virulent, obwohl 22 Jahre seit dem letzten Anschlag vergangen sind.

 

Diese Gegenwart des Vergangenen hat das Haus der Geschichte zuletzt selbst zu spüren bekommen: Das Museum erhielt zahlreiche Anfragen von Bürgern und Medien – und entschloss sich deshalb jetzt, entgegen den Gepflogenheiten schon eine Woche vor der Eröffnung einige Objekte vorzustellen. Dabei ist im Untergeschoss von der Ausstellung noch kaum etwas zu sehen, die Räume gehören allein den Handwerkern. Vom 14. Juni an ist die Schau dann geöffnet; sie läuft bis zum 23. Februar 2014. Es handele sich, worüber Thomas Schnabel selbst erstaunt ist, um die bundesweit größte Ausstellung zur RAF.

Das Motorrad war lange Jahre im Besitz eines Sindelfingers

Für einige Schlagzeilen hatte schon die Suzuki GS 750 gesorgt, auf der am 7. April 1977 die Mörder von Generalbundesanwalt Siegfried Buback und seiner zwei Begleiter heranrauschten. Die Maschine wird am Ende der Ausstellung stehen, symbolisch dafür, dass viele Fragen offen sind: So haben sich fast alle Terroristen bis heute nicht zu einer individuellen Schuld bekannt und eingestanden, wer Hanns Martin Schleyer oder Siegfried Buback getötet hat. Die Geschichte des Motorrades ist banal. Die Ermittler gaben das Gefährt 1981 frei – ein Liebhaber aus Sindelfingen kaufte die fast neue Maschine und fuhr sie viele Jahre bei seinen Trips durch Südeuropa. Nicht die Historie, sondern der günstige Preis war ausschlaggebend für seinen Kauf gewesen.

Ganz unscheinbar, aber beinahe noch berührender ist ein anderes der mehr als 200 Objekte, die in der Ausstellung zu sehen sein werden. Es ist eine Kranzschleife, die die Familien Marcisz, Brändle und Peter am Grab von Hanns Martin Schleyer niedergelegt hatten. Sie waren die Angehörigen jener Personenschützer, die mit Schleyer umgekommen waren. Zwischen den Familien und Schleyers Witwe war es zu einem engen Zusammenhalt gekommen – Waltrude Schleyer habe, so erzählt Sabrina Müller, an jedem Jahrestag den Eltern der jungen Polizisten Blumen geschickt.

Ein Roboter, der Bomben entschärft

Schon vor langem hat die Familie einen Großteil des Nachlasses Schleyers der Stiftung Wirtschaftsarchiv in Hohenheim übergeben, darunter alle Kranzschleifen und unendlich viele Beileidsschreiben. Das Mitgefühl sei überwältigend gewesen, sagt Müller, die viele Briefe gelesen hat. So habe die frühere Ministerin Annemarie Griesinger jede Woche einen Brief verschickt; und mehrere Fernsehintendanten hätten ihre private Telefonnummer hinterlassen – Waltrude Schleyer könne jederzeit anrufen, lautete die Botschaft.

An der Ausstellung hätten alle Beteiligten engagiert mitgearbeitet, sagt Paula Lutum-Lenger vom Haus der Geschichte. Mit den betroffenen Familien sei abgestimmt worden, was gezeigt werde. Und auch die Behörden seien sehr offen gewesen. So stellte das LKA einen Roboter zum Entschärfen von Bomben zur Verfügung; und vom BKA kommt ein Wrackteil von jenem Auto, in dem 1986 Karl Heinz Beckurts, Vorstandsmitglied bei Siemens, und dessen Chauffeur starben. Die Fragen, die die Ausstellung stellen will, lauten deshalb: Wie wurden die jungen Menschen zu Terroristen? Wie reagierte der Staat? Und wie findet man aus der Spirale der Gewalt wieder heraus? Manche Antworten gibt die Ausstellung vom 14. Juni an.