Im Möhringen Ortswappen taucht eine „Mohrin“ auf. StZ-Kolumnist Erik Raidt schreibt, warum dahinter ein großer Irrtum steckt – und fragt sich, wie lange der Stadtbezirk noch so heißen darf, wie er heißt.

Stuttgart - Der Stadtteil Möhringen benötigt dringend ein neues Wappen, sein bisheriges ist nicht mehr tragbar. Das derzeitige Ortswappen ist fehlerhaft und beschädigt: Neben einem zerbrochenen Rad, einer fransigen Fahne und fünf schwarzen Punkten ziert das Porträt einer Mohrin das Wappen. Dies ist aus verschiedenen Gründen inakzeptabel, auch wenn sich die deutsche Sprachpäpstin Kristina Schröder noch nicht dazu geäußert hat.

 

Es ist begrüßenswert, dass man im Möhringer Bezirksrathaus erst gar nicht versucht, die Sache unter den Teppich zu kehren: Ja, es stimme, die Mohrin sei irrtümlich auf das Wappen gekommen, das könne man in der Ortschronik nachlesen. Das Porträt der jungen Dame tauche schon auf alten Möhringer Siegeln auf – seinerzeit habe man offensichtlich angenommen, dass dereinst Mohren dort lebten oder durchzögen, wo sich heute Möhringen befindet. Dummerweise waren es tatsächlich aber keineswegs Mohren, sondern die alemannischen Moro, die Mohringer also, die mit ihrem Namen Pate standen.

Der Sarotti-Mohr ist auch schon im Vorruhestand

Alles klar? Nein! Denn ob Möhringen wirklich Möhringen bleiben darf, steht jetzt in den Sternen, weil Mohren oder gar „Neger“ ohnehin auf dem Index stehen. Die Zeit für deutsche Kolonialsprache scheint abgelaufen: Der „Negerkönig“ in Pipi Langstrumpf verwandelt sich in neueren Auflagen in einen Südseekönig, und das Schokoladenimperium Stollwerck hat schon 2004 seinen „Sarotti-Mohr“ in den Vorruhestand geschickt. Seitdem animiert ein „Sarotti-Magier der Sinne“ die Kunden zum Schokoladenkauf. Welch süße Idee. Was aber folgt daraus für den sympathischen Stadtteil im Stuttgarter Süden, wenn Mohren und „Neger“ aus der „Kleinen Hexe“, aus Pippi Langstrumpf“ oder dem „Struwwelpeter“ verschwinden?

Richtig, Möhringen braucht nicht nur ein neues Wappen, der Stadtteil muss umbenannt und der Pfad der Aufklärung zügig beschritten werden. Es hilft jetzt nicht weiter, auf die alten Alemannen hinzuweisen, wenn sich vor vielen Jahren schon keiner mehr an diese Moros erinnert hat. Was der Stadtteil nun benötigt, ist ein glaubwürdiger Neuanfang unter einem neuen Namen. Wichtig wäre, dass man das alles nicht über die Köpfe der Untertanen hinweg verkündet: Es müssen Möhringer sein, die darüber entscheiden, dass Möhringen künftig nicht mehr Möhringen heißt, sondern eben ganz anders. Auf jeden Fall muss der Name unverfänglich sein, und es darf sich niemand davon herabgesetzt, abgestoßen oder gar erregt fühlen, obwohl ja in Möhringen die Schwabenquellen lustvoll sprudeln. Aber das ist eine andere Geschichte.

Dem Stadtteil wäre diese ganze Debatte jedenfalls erspart geblieben, wenn man nur mal früher in Schillers „Fiesco zu Genua“ geblättert und Konsequenzen daraus gezogen hätte. Genau: Möhringen hat seine Arbeit getan, Möhringen kann gehen.

Hochachtungsvoll und mit den korrektesten Schokoküssen, Erik Raidt