Am Samstag startet der Rapkessel im Stuttgarter Club Zwölfzehn. Mehrere Freestyler treten dort gegeneinander an. Mit Reimen - oder auch Beleidigungen.

Stuttgart - Der Bass wummst im 3/4 Takt, tiefe Töne bewegen sich schleppend voran, während immer wieder eine Rassel im Hintergrund zu hören ist. Eine junge Männerstimme spricht schnelle Phrasen darüber. Sie reimen sich, lassen Wortspiele entstehen. Er spricht über sich selbst, wie gut er ist und wie „lächerlich“ sein Gegenüber.

 

Was hier passiert ist Rap. Es wird frei heraus gereimt, gesfreestylet und sich gebattelt, gegeneinander angetreten. Schlicht: Sprechkunst, die nicht einfach ist. Und die jedes Thema behandeln kann. Meist aber - vom Ursprung her gesehen, der sich in den USA in den frühen 80er Jahren befindet - von Problemen handelt. Ganz gleich, ob es familiäre oder gesellschaftliche sind oder einfach die Aggression gegen andere behandelt. „Das Schöne ist, dass man sich im Rap mal über alles auslassen und Dinge sagen kann, die man sonst vielleicht nicht sagt“, sagt Michael Hailesellassie (27).

Rapper müssen lernen zu kontern

Hailesellaisse ist ein Ulmer Rapper, bekannt unter dem Namen Hektikk, und moderiert am Samstag den Rapkessel im Stuttgarter Club Zwölfzehn. Gemeinsam mit Rapkesselgründer Tim Mundinger (26) treffen wir ihn in Stuttgart. Die beiden Rapfans sitzen in einem Büro am Hauptbahnhof, von wo aus Mundinger Veranstaltungen organisiert oder Künstler unter dem Namen „Küchentisch Booking“ bucht. Beim Rapkessel passiert genau das, was zu Beginn beschrieben wurde: Auf einen Beat reimen Künstler über sich und andere. „Sie treten gegeneinander an und die Challenge dabei ist, dass der eine den anderen übertrumpft“, sagt Mundinger, der 2014 den Rapkessel ins Leben rief. Die Idee des Rapkessels ist, jungen Rappern eine reale Plattform zu geben, bei der sie sich ausprobieren können. Wortgewandtheit, Reaktionsgeschwindigkeit und Humor üben und vor allem sich selbst testen. „Wie tolerant man ist“, sagt Hailesellaisse, „immerhin beleidigen sich die Leute, da braucht man eine hohe Toleranz und muss lernen zu kontern!“

Zwei Rapper stehen folglich auf der Bühne und wer besser war, entscheidet eine Jury sowie das Publikum - „um fair zu bleiben“, wie Mundinger sagt. Insgesamt gibt es drei Runden. Die Erste findet diesen Samstag statt - die beiden anderen im Februar und März. Am Ende gewinnt der beste Reimer 300 Euro. Doch ist es nicht eine Form von Gewalt, was die Leute auf der Bühne betreiben? Und was Schaulustige so spannend finden? Dieses, sich gegenseitig zu beleidigen? Und dafür gibt es Geld? Mundinger und Hailesellaissie sehen den Rap, wenn überhaupt, als Gewaltlösung an oder als eine Art sportlichen Wettkampf. „Die Rapper kommen auf die Bühne, geben sich die Hand und legen los - auch danach gibt es ein Shake Hands. Sie wissen, worauf sie sich einlassen“, sagt Hailesellaissie, „das ist wie beim Kampfsport.“ Eine Schlägerei habe er noch nie mitbekommen. Es werde zwar oft „heiß“ und man bange ein wenig, doch ginge es bisher immer friedlich aus. Und Hailesellaissie hat schon viel gesehen. In Ulm hat er beispielsweise Rapkurse als Angebot eines Deutschunterrichts besucht. Dort würden die Teilnehmer ihren Wortschatz füllen und sich anschließend ausprobieren. Gewalt sei hier genauso wie bei Rapveranstaltungen fehl am Platz. Es gehe um die Sprechkunst, und den Reiz der Versuchung sich zu versuchen - das zu machen, was man sonst nicht tut. „Und mal ehrlich“, sagt Hailesellaissie, „wer sich ständig schlägt, dealt oder was weiß ich was macht, hat wohl kaum Zeit darüber zu reimen.“

Zum einen sei es beim Rapkessel spannend die Reaktionen der Rapper zu beobachten, zum anderen wisse man nie was als nächstes passiert. „Das ist beispielsweise der Unterschied zum Poetry Slam“, sagt Hailesellassie, „da sagen Leute auf, was sie geschrieben haben, bei Veranstaltungen, wie Rapkessel eine ist, passiert alles spontan!“ Das Phänomen an der Sprechkunst und am Freestylen und Batteln, was der Rapkessel unter anderem umfasst, ist jedoch nicht neu. Einst gab es eine wöchentliche „Freestyle Jam“ im Jugendhaus Mitte. Dort, wo die Rapgruppe Kolchose und deren Nachfolger sich trafen und sich in der örtlichen Szene einen Namen machen konnten. Zuletzt gastierte die Veranstaltung „Rap am Mittwoch“ mit 550 Zuschauern im Im Wizemann. Eine Veranstaltung, die in den 90ern und 2000ern in Berlin als reine, örtliche Jam diente - mittlerweile aber als YouTube-Serie mit Rund 148.000 Followern existiert und als Veranstaltung durch deutsche Städte reist.

Der Rapkessel soll allerdings erst mal im Kessel bleiben. Für Samstag liegen 16 Rapanmeldungen auf dem Tisch. Es können vor Ort noch welche teilnehmen - auch Frauen! Von denen seien es bisher nur zwei, auf die sich aber Hailesellassie besonders freut: „Frauen haben eine ganz andere Art sich zu beleidigen und auszudrücken. Ich bin auf die Reaktionen gespannt!“

Der Rapkessel findet am Samstag, 23. Januar, 19 Uhr, im Club Zwölfzehn, statt. Der Eintritt kostet 5 Euro.

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