Ist die Darstellung der dunkelhäutigen Frau im Ortswappen von Stuttgart-Möhringen rassistisch? Der Bezirksbeirat sagt nein – und will dennoch ein neues Logo. Ein neues Kapitel in einer komplizierten Geschichte.

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Möhringen - Das alte Möhringer Wappen ist zum Gesprächsthema geworden. Denn es zeigt unter anderem das Antlitz einer Mohrin: Die Frau ist dargestellt mit schwarzer Haut, wulstigen Lippen und krausem Haar. Dagegen formierte sich im Juni Widerstand. Auf der Kampagnenplattform change.org. forderten die Unterzeichner einer Online-Petition eine Abänderung des Wappens und damit ein klares Zeichen gegen Rassismus. Bereits binnen zwei Tagen kamen knapp 2800 Unterschriften zusammen. Es folgten mehrere Anträge von Fraktionen aus dem Gemeinderat, die in die gleiche Richtung zielten.

 

Die Bezirksvorsteherin Evelyn Weis reagierte. Aus den Reihen des Bezirksbeirats gründete sich eine Arbeitsgruppe. Diese schlägt nun vor, sozusagen aus der Not eine Tugend zu machen und ein neues Logo für den Bezirk zu entwickeln. „Diese Idee war schon lange unterschwellig da“, sagt Weis. Denn das alte Wappen beziehe sich nur auf Möhringen. Die Menschen aus den Stadtteilen Fasanenhof und Sonnenberg würden sich darin nicht wiederfinden.

Die Bürger sollen ein neues Logo für den Stadtbezirk entwickeln

Doch wie könnte so ein Logo aussehen? Vorschläge dafür sollen bei einem Ideenwettbewerb zusammenkommen. Die Menschen im Stadtbezirk sind aufgerufen, sich an diesem zu beteiligen. Aber noch gibt es weder einen Termin noch ein Verfahren. Die Corona-Krise hat die Arbeitsgruppe ausgebremst. Die letzten zwei Treffen mussten entfallen. Wenn die Infektionslage es zulässt, soll der Faden wieder aufgenommen werden. „Mich würde es freuen, wenn wir gemeinsam so ein identitätsstiftendes Logo hinbekommen würden“, sagt Weis.

Trotz der Pandemie hat der Bezirksbeirat seine Hausaufgaben gemacht. Die Lokalpolitiker haben eine zweieinhalb Seiten umfassende Stellungnahme zum alten Möhringer Wappen erarbeitet. Sie stellen klar, dass das dieses nicht einfach getilgt werden soll. Es war das letzte Wappen der ehemals eigenständigen Gemeinde Möhringen auf den Fildern bevor diese von den Nationalsozialisten nach Stuttgart eingemeindet wurde. „Das war eine Zwangseingemeindung, die Menschen im Ort wollten das nicht“, stellt Weis klar. Darum würden sich viele Möhringer auch heute noch als Möhringer und nicht als Stuttgarter fühlen und sich mit dem Wappen identifizieren. Zudem sei zu bedenken, dass ein Wappen in der Regel aus Darstellungen bestehe, die wertschätzen und nicht diskriminieren, heißt es in der Stellungnahme. Darüber hinaus hätte die Tilgung des Wappens Konsequenzen. So ist es unter anderem auf der offiziellen Internetseite der Stadt Stuttgart und auf einem Stadtbahnwagen zu sehen.

Der Gemeinderat hat noch nicht entschieden

Anstatt das Wappen einfach zu löschen, fordert der Bezirksbeirat, die Geschichte und Entwicklung des Wappens in einem historischen Gutachten aufzuarbeiteten. Das Gremium folgt damit dem Appell der Historikerin, welche die Arbeitsgruppe beraten hatte. „Das alte Wappen soll sichtbar bleiben. Aber es muss eingebettet werden in den historischen Kontext. Man muss erklären, warum es so aussieht, wie es aussieht, und es kommentieren, zum Beispiel auf der Internetseite der Stadt Stuttgart“, sagt Weis.

Doch auch wenn das historische Wappen bleiben soll, verbinden die Lokalpolitiker mit der Entwicklung eines neuen Logos für den gesamten Bezirk die Hoffnung, dass dieses langfristig das alte Wappen ersetzt. Das wäre dann eben nur noch im geschichtlichen Zusammenhang zu sehen.

Die Verwendung des historischen Wappens rechtlich zu verbieten, sei nicht möglich, erklärt Weis. Der Gemeinderat könne jedoch der Verwaltung die Nutzung untersagen. Bisher ist das noch nicht geschehen. Aber Weis verzichtet derzeit freiwillig darauf. Jasmin Bühler, Pressesprecherin der Stadt Stuttgart, ergänzt: Es solle nun entschieden werden, ob der Verwaltungsausschuss dem Vorschlag des Bezirksbeirats zustimmt und ob der Stadtbezirk das historische Wappen seinerseits mit einer entsprechenden Erklärung weiterverwenden darf. Zunächst wolle man aber den gemeinsamen Antrag aus der Mitte des Gemeinderats abwarten. Sobald dieser vorliege, werde das Thema wieder auf die Tagesordnung genommen und es werde endgültig entschieden.