RB Leipzig bestreitet am Samstag gegen den VfR sein erstes Zweitligaspiel. Darüber freut sich die Stadt – das ärgert viele Fans im Rest von Deutschland.

Leipzig/Stuttgart - Nicht einmal Roland Wohlfahrt konnte den Absturz verhindern. Fünfmal war er mit dem FC Bayern Deutscher Meister geworden, er hatte 120 Bundesligatore geschossen – doch im entscheidenden letzten Saisonspiel mit dem VfB Leipzig gegen Wattenscheid 09 traf auch er das Tor nicht. Es blieb an jenem Junisonntag des Jahres 1998 bis zum Schluss beim 0:0, der Abstieg aus der zweiten Bundesliga war besiegelt. Für Wohlfahrt, damals 35, war es das Ende seiner Profikarriere – für Leipzig der Beginn der fußballerischen Bedeutungslosigkeit.

 

Mit dem ersten Saisonspiel gegen den VfR Aalen gehen am Samstag quälend lange 16 Jahre zu Ende. Leipzig ist als Zweitliganeuling wieder Teil des Profifußball – und rein gar nichts ist mehr so wie damals. Auf dem Platz des Zentralstadions, das längst zu einer topmodernen Fußballarena umgebaut wurde, stehen keine Altstars mehr, sondern junge Talente. Und nicht mehr gegen den Abstieg geht es, sondern viel eher um den Aufstieg. Denn der Verein heißt seit 2009 Rasen-Ballsport Leipzig und gehört dem milliardenschweren österreichischen Getränkeproduzenten Red Bull, der die zweite Liga nur als Durchgangsstation Richtung Champions League betrachtet.

Für viele Fußballfans ist Lepizig ein rotes Tuch

Kein anderer deutscher Club polarisiert derzeit so sehr wie RB Leipzig. Grenzenlos ist in der Stadt die Euphorie der Fans, die es als großes Glück empfinden, dass der Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz ausgerechnet Leipzig als Standort für sein deutsches Fußballprojekt ausgewählt hat. Doch so groß wie die Begeisterung in Leipzig ist im Rest der Republik der Argwohn gegenüber dem neureichen Emporkömmling, der sein Geld nicht selbst verdienen muss.

Von einem seelenlosen Retortenclub ist die Rede, von einem Kunstprodukt, das den Traditionsvereinen die Plätze wegnimmt. Aufgrund von Protesten ihrer Ultras sahen sich der VfB Stuttgart und Schalke 04 in der Sommerpause sogar gezwungen, lange vereinbarte Testspiele abzusagen. Mit Boykott drohen viele Anhänger der Zweitligakonkurrenten. Man kann also nicht behaupten, dass Leipzig ein hochwillkommener Neuling im Kreis der 36 Profivereine wäre.

Ralf Rangnick lässt sich nicht beirren

Ralf Rangnick verweist zwar gerne darauf, dass kaum ein anderer Zweitligist ein so großes Fanpotenzial besitzt. Ansonsten aber hat es der Red-Bull-Sportchef aufgegeben, die Vorbehalte entkräften zu wollen: „Wenn wir auf alles entgegnen würden, was jemand über uns sagt, kämen wir gar nicht mehr zu unserer Arbeit“, sagte Rangnick diese Woche in einem Interview mit der „Hamburger Abendzeitung“.

Also gibt sich der 56-Jährige auch keinerlei Mühe, es allen recht machen zu wollen. Nach dem Aufstieg zog sein Club in einen Kleinkrieg mit der Deutschen Fußball-Liga (DFL), in dem es um Satzungsfragen und das Wappen ging. Und auch bei den Transfergeschäften werden die Grenzen des Erlaubten ausgelotet.

„Juristisch legitim, moralisch fragwürdig“

„Juristisch legitim, aber moralisch fragwürdig“ fand der Dortmunder Vereinschef Hans-Joachim Watzke die Verpflichtung von Marcel Sabitzer (20). Leipzig machte von einer nur fürs Ausland geltenden Ausstiegsklausel Gebrauch, bezahlte zwei Millionen an Rapid Wien – und lieh den Offensivmann umgehend an den Schwesterclub Salzburg weiter. Dort landete auch der belgische Sechs-Millionen-Euro-Mann Massimo Bruno (20), nachdem er in Leipzig bis 2019 unterschrieben hatte. Von einem „Umgehungstatbestand“ spricht Watzke, von Synergien Ralf Rangnick: „Wenn wir einen Spieler entdecken, geht es nur noch darum, dass ich entscheiden muss: ist es eher einer für Salzburg oder für Leipzig.“

Rani Khedira feiert sein Debüt

Fünf neue Spieler sind in Leipzig geblieben, darunter Rani Khedira (20), der vom VfB kam und heute sein Debüt feiern wird. Weitere werden folgen – eine Einigung mit dem früheren Nationalverteidiger Marvin Compper (29) vom AC Florenz steht bereits. Und wenn es sein muss, wird in der Winterpause noch einmal nachgebessert – am Geld wird es nicht scheitern. Zweimal nacheinander ist Leipzig mit seinem Trainer Alexander Zorniger zuletzt aufgestiegen – gegen einen weiteren Durchmarsch hätte niemand etwas einzuwenden.

Auch der Leipziger Stadionsprecher Tim Thoelke nicht. Was er jenen Fans sage, die behaupten, Leipzig gehöre nicht in die zweite Liga, ist er vor seinem ersten Einsatz im Profifußball gefragt worden. Seine Antwort: „Denen sage ich: Ihr habt Recht! Leipzig gehört in die erste Liga.“