Südwestfirmen dringen darauf, dass die Parteien bei der Regierungsbildung keine wertvolle Zeit verlieren. Sie fordern mehr Tempo bei der Transformation der Wirtschaft und setzen sich für flexiblere Arbeitszeitmodelle ein.

Chefredaktion: Anne Guhlich (agu)

Stuttgart - Unternehmen aus dem Südwesten erwarten von der neuen Landesregierung Unterstützung bei der Transformation des Wirtschaftsstandorts Baden-Württemberg. „Angesichts der Aufgaben für ein Industrieland im Strukturwandel muss der Koalitionsvertrag in jedem Fall eine starke wirtschaftspolitische Handschrift tragen“, sagte Nicola Leibinger-Kammüller, die Chefin des Ditzinger Weltmarktführers für Industrielaser Trumpf, unserer Zeitung. „Die Herausforderungen, vor denen wir bei der Transformation in Autoindustrie und Maschinenbau stehen, sind immens. Digitalisierung und Bildung eingedenk der beruflichen Bildung müssen einen herausgehobenen Stellenwert bekommen“, so die Managerin. „Zudem brauchen wir mehr Flexibilität im Bereich der Arbeitszeiten. Starre Arbeitszeitmodelle passen nicht zu einer agilen Produktionswelt.“ Leibinger-Kammüller habe sich ein höheres Wahlergebnis für die CDU und deren Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann gewünscht. „Doch auch dieses Ergebnis bietet die Möglichkeit zur Fortsetzung der bisherigen Regierungskoalition. Gerade das Wirtschaftsministerium hat gute Impulse gesetzt“, sagte Leibinger-Kammüller.

 

„Die Fortsetzung der grün-schwarzen Koalition bedeutet Kontinuität für unser Land“, sagte Nikolas Stihl, der Vorsitzende des Beirats und des Aufsichtsrats des Familienunternehmens Stihl, unserer Zeitung. Von der neuen Landesregierung erwarte er, dass Entscheidungen und Beschlüsse zügiger umgesetzt werden. „Ministerpräsident Kretschmann mahnt zu Recht wichtige Entscheidungen für die nächsten Jahre an“, so Stihl. „Doch Pläne allein reichen nicht aus.“ Zudem fordert er eine intelligente Verknüpfung von Klima- und Wirtschaftspolitik – mit der Förderung alternativer Antriebe und klimafreundlicher Technologien im Bereich eFuels und Wasserstoff. „Baden-Württemberg hat die Kraft und Ressourcen, darin Vorreiter in Deutschland und Europa zu werden“, so Stihl.

Handwerk fordert: raus aus dem Krisenmodus

„Die Umfragen zeigen, dass das Thema Wirtschaft ganz oben steht“, sagte Johannes Schmalzl, der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart, unserer Zeitung. „Die Wirtschaft erwartet von einer neuen Landesregierung zuvorderst, dass die Wirtschaft im Land gut durch die Krise und aus ihr herauskommt“, so Schmalzl. „Die Rahmenbedingungen müssen so gestaltet sein, dass Baden-Württemberg erfolgreiches Land des Mittelstands als Innovationsmotor bleibt.“ Der Bürokratieabbau stehe ganz oben auf der Agenda. „Der Schlüssel zur Überwindung der Pandemie ist das schnelle Impfen. Das Chaos muss aufhören, alle Impfwilligen müssen schnell über Haus- und Betriebsärzte geimpft werden.“

Rainer Reichhold, Präsident des Baden-Württembergischen Handwerkstags (BWHT), forderte die Parteien auf, bei der Regierungsbildung keine wertvolle Zeit zu verlieren. „Das Land kann sich langwierige Verhandlungen und taktische Spielchen nicht leisten, wir brauchen eine handlungsfähige Regierung und ein schlagkräftiges Parlament“, so Reichhold. „Die neue Regierung muss aus dem Coronakrisenmodus aussteigen und entschlossen handeln. Wir benötigen Wachstumsimpulse, weshalb Programme wie Invest BW oder die Digitalisierungsprämie Plus noch gezielter für den Mittelstand ausgebaut werden müssen.“

Fakt sei: Baden-Württemberg habe Kretschmann gewählt und nicht die Grünen, sagte André Bartel, der Landesvorsitzende von „Die Familienunternehmer“ in Baden-Württemberg. „Denn Eigenheimverbote oder Ähnliches bringen das Land nicht voran“, so Bartel. „Bei einer potentiellen Neuauflage des grün-schwarzen Bündnisses in Baden-Württemberg braucht es nun innovative Impulse: Themen dürfen nicht mehr nur verwaltet, sondern müssen angepackt werden.“ Der Südwesten müsse innovativen Industrien – vor allen Dingen der Automobilindustrie und den Zuliefererbetrieben – wieder eine Perspektive und gute Investitions- und Wachstumsbedingungen bieten, so Bartel.