In den USA galt VW bisher als Verkörperung deutscher Solidität. Dieses Image ist gründlich ruiniert. Der US-Kongress plant nun öffentliche Anhörungen und die US-Justiz beginnt gerade erst, ihre Folterwerkzeuge auszupacken.

Washington - Als John Decker vor ein paar Jahren ein neues Auto kaufen wollte, machte er zunächst eine Probefahrt mit einem Hybridfahrzeug japanischer Bauart. Doch das Auto mit Benzin-Elektro-Antrieb habe ihn enttäuscht, sagte der 55 Jahre alte Fotograf aus Sacramento in Kalifornien jetzt:   Fahrspaß mäßig, wenig Wucht unter der Haube. Also entschied sich Decker für einen VW mit Dieselmotor, der in den USA unter dem Namen Jetta Sport-Wagen verkauft wird. Decker war begeistert: „Der Wagen war ziemlich kraftvoll und ziemlich schnell.“

 

Mittlerweile hat sich die Begeisterung des Kaliforniers vollständig gelegt und ist in Wut umgeschlagen. Er glaube jetzt zu wissen, warum sein Auto so viel Spaß mache, sagte Decker der Zeitung „New York Times“:   „Wenn der Grund dafür ist, dass die Wagen bis zu 40-mal mehr Schadstoffe ausstoßen als vorgesehen, dann finde ich das skandalös. Ich fühle mich total abgezockt.“ Der Skandal um manipulierte Abgaswerte hat das Image des Volkswagen-Konzerns in den USA schwer beschädigt.

  Das hat begonnen, als die Umweltbehörde EPA Ende vergangener Woche überraschend erklärte, womöglich sei in einer halben Million VW-Autos eine Software eingebaut, die den wahren Schadstoffausstoß zwar bei Tests, aber nicht im normalen Betrieb der Fahrzeuge   anzeige. Die Autos stießen also im Straßenverkehr deutlich mehr gesundheitsgefährdende Stickoxide aus als erlaubt. VW räumte die Vorwürfe inzwischen ein. Der Amerika-Chef von Volkswagen, Michael Horn, sagte am Montagabend bei der Vorstellung eines neuen Passat-Modells in New York: „Wir waren unehrlich. Wir waren unehrlich zur EPA, wir waren unehrlich zu den Behörden in Kalifornien, und, am schlimmsten von allem, wir waren unehrlich zu unseren Kunden. Um es auf gut Deutsch zu sagen: Wir haben Mist gebaut.“ Doch ob die im Ton eines Büßers vorgetragene Erklärung Verständnis hervorrufen wird, ist eher unwahrscheinlich.

Für VW könnte es in den USA knüppeldick kommen

Für VW könnte es in den USA noch schlimmer kommen als bisher gedacht. Der Kongress in Washington will demnächst eine Anhörung zu der Affäre veranstalten. „Das amerikanische Volk verdient Antworten und Zusicherungen, dass so etwas nicht wieder geschieht“, hieß es in einer Erklärung zweier Abgeordneter. Es gehe schließlich darum, dass möglicherweise Verbraucher irregeführt worden seien.  Und das US-Justizministerium ermittelt nach übereinstimmenden Medienberichten inzwischen, ob Volkswagen sogar kriminelle Absichten vorzuwerfen sind. Sollte es tatsächlich zu einer Anklage kommen, dann drohen jahrelange Auseinandersetzungen vor Gericht und möglicherweise auch Urteile gegen die Verantwortlichen für den Skandal. Die Umweltbehörde EPA gilt in den USA als rigoros, wenn es um Verstöße gegen ihre Verordnungen geht.   Zwar glauben die wenigsten Experten in den USA daran, dass Volkswagen die theoretisch denkbare Strafsumme von 18 Milliarden US-Dollar für den wiederholten Verstoß gegen das Klimaschutzgesetz „Clean Air Act“ bezahlen muss.

Aber schon bereiten Anwaltskanzleien in den USA Sammelklagen erzürnter VW-Fahrer vor, die auf Entschädigung hoffen. In Kalifornien etwa ist die erste dieser Klagen bereits bei Gericht eingereicht worden. Volkswagen, so die Anwältin Leila Noel, habe seine Kunden mit falschen Angaben angelockt. Nun hätten die Käufer nicht nur Autos, welche die Umwelt verschmutzten, sondern praktisch auch wertlos seien.