Real Madrid empfängt an diesem Mittwoch in der Champions League den VfL Wolfsburg: der neue Hoffnungsträger ist plötzlich Gareth Bale.

Madrid - Gareth Bale spricht immer noch kein Spanisch. Aber nett und höflich ist er, wenn er nach den Spielen zum Plausch vorbeikommt. Ganz der unkomplizierte Bursche, als den ihn Nahestehende beschreiben. Auch wenn er mal 100 Millionen Euro gekostet hat.

 

Man hat diesen heißen Tag noch vor Augen, im Spätsommer 2013: die Präsentation im Estadio Santiago Bernabéu, das kindliche Gesicht mit der gegelten Tolle, der Satz, zu seinem Traumklub wäre er auch für einen Cent gekommen. Ein naiver Satz, natürlich. So einfach ist das nicht, wenn einer der teuerste Fußballer aller Zeiten ist. 100 Millionen Euro. Das Etikett hat ihn lange beschwert, es drohte ihn zu erdrücken.

Die Erwartungen, dazu: fremdes Land, fremde Sprache, fremder Fußball. Der epochale Platzhirsch Cristiano Ronaldo. Die erste Saison war noch aufregend, Bale überzeugte nicht regelmäßig, schoss aber entscheidende Tore in den Finals von Pokal und Champions League. Die zweite Saison war trist. „Ich fühlte mich ausgeschlossen“, sagte er im Blick zurück, denn das Martyrium ist jetzt vorbei. Ja, man kann sagen, Gareth Bale aus Cardiff, Wales ist endlich angekommen in Madrid.

„Ich bin glücklich und genieße meinen Fußball“: Die Haare sind länger geworden, die Gesichtszüge markanter – und sein Spiel reifer, konkreter, irgendwie: spanischer. 15 Tore und 13 Assists in 22 Spielen hat er auf dem Konto. In der gesamten Vorsaison waren es 17 und 12 aus 48. Aber es sind nicht nur die Zahlen, es ist auch die größere Einbindung ins Team, die neue Balance zwischen diesen urgewaltigen Sprints, die ihn immer ausgezeichnet haben, und den subtileren Aspekten des Fußballs. Auch: das Gespür für die Momente einer Partie. Beim Clásico-Coup in Barcelona (2:1) legte er Ronaldo das Siegtor auf. Drei Minuten zuvor war ihm ein Kopfballtor fälschlicherweise aberkannt worden, sonst hätte er am nächsten Tage die Titelseiten geziert.

So bleibt es eine eher leise Erfolgsgeschichte, ungewöhnlich leise für den schrillen Königshof, wo die Glocken vor dem Champions-League-Viertelfinale an diesem Mittwoch (20.15 Uhr/ZDF) beim VfL Wolfsburg süß klingen. Der in den letzten Monaten aber auch übliche Krisen gesehen hat und noch mehr: Transferpanne, Pokalausschluss, Fifa-Sperre. Trainerwechsel von Benítez auf Zidane, Kapriolen bei Ronaldo, Erpressungsaffäre von Benzema. Vielleicht war auch das ein Vorteil für Bale: dass er ein wenig unter dem Radar durchlief. Dass alles nicht sofort an ihm festgemacht wurde, wie in den Jahren zuvor, als er quasi täglich über seine taktische Unbedarftheit und mangelnde Implikation lesen durfte, als ihm Ronaldo mit abfälligen Handbewegungen vermeintlichen Egoismus vorhielt, als die Zuschauer murmelten und die Spötter lästerten, er habe zweifelsohne enorme athletische Begabungen, stehe aber nur auf dem Platz, weil der Gesichtsverlust für Präsident Florentino Pérez angesichts seiner Ablöse sonst zu groß wäre. Kurz: als er das Schlüsselproblem auf der Suche nach einer stimmigen Elf schien.

Diese Saison ist Bale plötzlich: die Lösung. Wenn er mitmacht, erzielt die Mannschaft über drei Tore im Schnitt – ohne ihn sind es nur 2,3. Die sieben Punkte, die Real in der Rückrunde bisher verlor und die in der Meisterschaft auf Barcelona fehlen – allesamt in Partien, bei denen er verletzt aussetze. Seit er zurück ist – nur Siege.

Es heißt, dass er das Leben in Spanien schon immer geschätzt hat. Den Schinken vor allem und die Golfplätze. Im Job war es schwieriger, das Verhältnis zu Carlo Ancelotti, dem Trainer seiner ersten Jahre: überschaubar. Alles war auf Ronaldo ausgerichtet, Bale verlor das Vertrauen in sein Spiel. „Bekäme er öfter den Ball, wäre er Madrids bester Mann“, erklärte sein Agent Jonathan Barnett. Abwanderungsgerüchte machten die Runde. Besorgt trug Präsident Pérez dem neuen Trainer Benítez auf, den langfristig anvisierten Übergang in der Obergalaktischen-Rolle von Ronaldo (31) auf Bale (26) zu beschleunigen. Sogleich nach Amtsantritt suchte Benítez den Waliser in seiner Heimat auf und versprach ihm eine neue Taktik mit größeren Freiheiten. Dass er damit Ronaldo verprellte, sollte ihm neben vielem anderen den Job kosten. Aber die Integration von Bale und die größere Mobilität in der „BBC“-Sturmreihe (Bale, Benzema, Cristiano) gehört – wie der Upgrade des nach dem Clásico besonders gefeierten „Panzer“ („Marca“) Casemiro – zu seinen positiven Hinterlassenschaften.

Als Zidane, ehemaliger Assistent Ancelottis, im Januar auf Benítez folgte, fürchtete Bale die Rückkehr zum Paria. Doch der Franzose eröffnete mit einem Liebesbeweis („Ich werde ihm alle Zuneigung geben, die er braucht“) und hat es vorerst geschafft, den vermeintlichen Antagonismus zwischen den Angriffsstars zu beenden. Ronaldo hat erkannt, dass er für Titel einen starken Partner braucht. Und Bale kann ja sowieso noch nicht den Platzhirsch geben. Dafür muss er erst mal Spanisch sprechen.