C-Prominente wie Micaela Schäfer sind das Futter, mit dem immer mehr TV-Formate überleben. Am Freitag feiert auch die Mutter aller Reality Soaps – „Big Brother“ – ein Comeback. Dann schickt Sat 1 zehn Prominente in einen Container.

Stuttgart - Es muss eine Fata Morgana sein. Die Wüste von Nevada. Eine nackte Frau kriecht auf allen vieren über den Boden. Ihre Augen sind schreckgeweitet, der Körper ist blutverschmiert, doch das ist nicht das Erste, was an ihr auffällt. Es sind ihre Brüste. Sie passen nicht zu dem hochgewachsenen Körper. Sie sind mindestens drei Nummern zu groß.

 

Die Frau heißt Micaela Schäfer. Viele kennen sie noch aus der vorletzten Staffel des Dschungelcamps (RTL). Micaela, das war die, die so kam, wie Schönheitschirurgen sie kernsaniert hatten. Jetzt spielt sie das Opfer in einem deutschen Horrorfilm. Es ist ein symbolträchtiges Szenario. Die Gesellschaft hat den Exhibitionismus als Modeberuf sanktioniert. Und das kommt dabei heraus. Der nackte Horror.

Aufmerksamkeit durch Körbchengröße

75 Doppel-D, das ist ihre Körbchengröße. Ihre stärkste Waffe im Kampf um Aufmerksamkeit. Mit diesen Brüsten fing alles an. Sie haben Micaela Schäfer, 28, erst Fototermine, dann Auftritte in Trash-Shows und im Januar 2012 auch ein Ticket ins RTL-Dschungelcamp verschafft.

Für andere ist dieser Knast unter Palmen die Endstation. Es sind Einwegstars, wie sie das Fernsehen für den Eigenbedarf produziert. Heute ein Bachelor, morgen ein Gast in der Talkshow von Lanz, übermorgen das Sorgenkind in der RTL-Show „Let’s dance“. Für Micaela Schäfer wurde das Dschungelcamp ein Sprungbrett. Hier konnte sie ihrer Textil-Allergie frönen. Hier galt das nicht als Neurose, sondern als PR-Strategie. Und Millionen Menschen sahen hin, vor allem Männer.

Schmerzen pflasterten ihren Weg

Es ist Balsam auf ihrer Seele. Schmerzen pflasterten ihren Weg ins Rampenlicht. Viermal hat sie sich operieren lassen. Bei 75 Doppel-D war Schluss. Sie sagt: „Irgendwann tut es weh.“ Es ist das Schmerzensgeld, das sie für ihre C-Prominenz zahlen muss. Ein Thema, über das sie nicht gerne redet. Sie sagt, sie habe schon schlimmere Momente erlebt. Wenn wieder eine lästere, Brüste zeigen, das könne doch jeder. Ja, kontert sie dann. Aber ich tue es. Und ich verdiene Geld damit. Selbstverständlich ist das nicht. Denn der Markt für C-Prominente wird immer enger. C-Promis, das sind Menschen, die im Reality-TV auftauchen und keine Anstalten machen, vom Bildschirm zu verschwinden. Von Medienherpes spricht der TV-Kritiker Oliver Kalkofe.

Im September erleben die Zuschauer eine wahre Invasion der C-Prominenten. Erst setzte RTL zehn Zicken in der namibischen Wüste auf Lipgloss-Entzug („Wild Girls“). Dann zog Pro Sieben mit seinen „Reality Queens auf Safari“ nach – und stellte die Soap schon nach einer Folge wieder ein. Und am Freitag feiert die Mutter der Reality-Soaps ein Comeback. Dann schickt Sat 1 zehn Kandidaten in einen Container. Es entbehrt nicht der Ironie, dass „Big Brother“ als „Promi Big Brother“ zurückkehrt. Bei den Teilnehmern handelt es sich um Menschen, die man vielleicht schon mal beim „Perfekten Promi-Dinner“ gesehen hat. Stehaufmänner wie den Schurken-Darsteller Martin Semmelrogge. Doch in der selbstreferenziellen Welt des Fernsehens reicht das als Eintrittskarte in den Container aus.

Was passiert, wenn sie niemand mehr sehen will?

Der Tübinger Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen hat solche Kandidaten nach ihren Erwartungen und Erfahrungen befragt. „Die Casting-Gesellschaft“ heißt sein Buch. Das Ergebnis dürfte kaum jemanden überrascht haben – außer vielleicht den Betroffenen selber. Es offenbart eine tiefe Kluft zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung. Pörksen sagt, Kandidaten dieser Shows und Soaps hätten zwar versichert, sie wüssten, wie das Spiel funktioniere: Tausche Intimität gegen Aufmerksamkeit. Und natürlich verstünden es viele, diese Aufmerksamkeit in bare Münze umzusetzen. „Dieses Geschäftsmodell lohnt sich aber nur für die Fernsehsender“, sagt Pörksen. Die Medienmaschinerie sei stärker als die Kandidaten. Viele von denen würden gar nicht merken, dass sie dem Medium nur die Schlüsselreize lieferten.

Zum Beispiel Micaela Schäfer. Als Erotik-Model und DJane verdient sie bis zu 50 000 Euro im Monat. Gerade hat sie sich ein Penthouse gekauft. Der Preis: eine halbe Million Euro. „Meine Alterssicherung“, sagt sie. Ein Foto in der Bild zeigt sie oben ohne auf der Baustelle. „Michaelas Rohbau“, steht darunter.

Doch was passiert, wenn sie keiner mehr sehen will? Da hilft ein Anruf bei Jürgen Milski. Viele kennen ihn noch aus der ersten Staffel von „Big Brother“. Jürgen, das war der Feinblechner, der damals noch bei Ford schaffte. Inzwischen hat er als Partysänger und Moderator Millionen verdient. Andere C-Promis kamen und gingen, doch er blieb. Er sagt, viele der Möchtegern-VIPs glaubten, Autogramme zu geben reiche schon aus als Schlüsselqualifikation für diese Branche. Dabei sei die das reinste „Hurenhaus“. „Man muss sich immer wieder durchbeißen und hart arbeiten.“ Der nackte Horror.