So früh wie fast noch nie hat die Rebblüte in den Weinbergen begonnen. Die Werngerter machen die warmen Tage im April und Mai dafür verantwortlich. Die Folge: Die Weinlese könnte bereits im August starten.

Rotenberg - Wer in den vergangenen Tagen durch die Weinberge wanderte, roch es: der feine Duft der Rebblüte. Kenner trauten dennoch ihren Augen kaum. Filigrane, gelbliche Blüten schmücken die Rebstöcke, an vielen haben sich bereits kleine, grüne Fruchtknöpfchen gebildet. „Die Rebblüte hat zwei bis drei Wochen früher eingesetzt, als in normalen Jahren. In den meisten Lagen ist die Blüte bereits abgeschlossen“, sagt der Rotenberger Wengerter Heinz Munder. Das Vorstandsmitglied des Collegium Wirtemberg beobachtet seit mehr als vier Jahrzehnten die Entwicklung der Weinpflanzen. „So früh hat es noch selten geblüht“, sagt er und führt die explosionsartige Entwicklung auf die sonnigen Tage im April und Mai zurück. Nachdem die Witterung im Frühjahr für die Pflanzen bereits optimal waren, hätten die warmen Tage zur rasanten Entwicklung beigetragen. Für die Wengerter ist die Rebblüte ein mit Spannung erwarteter Moment. Es sind die Tage, die über den Ertrag entscheiden. Reben sind Selbstbestäuber. Die Blumenkrone wirft ihre Blütenblätter als Käppchen ab. Eine sensible Phase für die Blüten. Ist es nass und kühl, werden die Blüten nicht befruchtet und abgeworfen. Sie verrieseln, wie die Wengerter sagen. Dies war dieses Jahr in Stuttgart nicht der Fall. „Wir haben eine Vollblüte und einen sehr guten Fruchtansatz“, freut sich auch Michael Warth aus Untertürkheim. Beste Voraussetzungen also für einen hervorragenden Jahrgang 2018. Allerdings: Die Wengerter könnten die Früchte ihrer Arbeit auch so früh wie lange nicht mehr einfahren müssen. „Unsere Großväter haben immer gesagt: 100 Tage nach der Blüte beginnt die Lese“, sagt Munder. Auch für Klaus-Dieter Warth aus Untertürkheim könnte dies bedeuten: Ende August/Anfang September – „also direkt nach dem Urlaub“ – müssen er und sein Team die Trauben einbringen – wenn die Witterung nicht doch noch einen Strich durch die Rechnung macht. Kühles Wetter, Hagel oder Trockenheit könnten die Fruchtbildung verlangsamen. Feuchtes oder schwüles Wetter im August könnten zu Fäulnis der Trauben führen. Die Ansätze für eine tolle Ernte sind bestens, aber es gibt noch Unwägbarkeiten.

 

Von der Sonne verwöhnt

Pralle Fruchtstände bedeuten für die Wengerter allerdings auch mehr Arbeit. „Da wir auf Topqualität setzen, werden wir früh beginnen müssen, die Menge der Trauben zu reduzieren“, sagt Konrad Zaiß aus Obertürkheim. Grünernte nennen dies die Wengerter. Sie dünnen den Bestand freiwillig aus. Sie schneiden die Kummertriebe und einen Teil der jungen Früchte ab, damit die verbliebenen Trauben die nötige Qualität für Top-Weine des Jahrgangs 2018 entwickeln.

Der 2018er würde sich dann auch in die Reihe der Württemberger aus den vergangenen Jahren einreihen, die von der Sonne verwöhnt wurden. „Seit Jahren beobachten wir eine Klimaverschiebung. Die Weinblüte und damit auch die Weinlese beginnt immer früher. Dadurch bekommen wir auch gehaltvollere Weine“, sagt Munder. Die Wengerter stellen sich darauf auch langfristig ein. Rebsorten, die bislang in unseren Breiten nur schlecht gedeihen konnten, werden plötzlich in den Weinbergen gepflanzt. Im Gegenzug müssen traditionsreiche Rebsorten in tiefere, „kühlere“ Lagen gepflanzt werden.