Die Zahl der Beschwerden wegen verspäteter oder ausgefallener Flüge explodierte im Vorjahr. Verschiedene Webseiten ermöglichen es nun Kunden, einfach und ohne Risiko gegen Fluglinien vorzugehen.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Im abgelaufenen Jahr hatten die 50 Juristen der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr in Berlin (SÖP) viel zu tun. Die Zahl der Beschwerden über Airlines explodierte und wuchs bis Anfang Dezember um 136 Prozent auf die Rekordhöhe von 26 266. Kunden von Airlines, Bahn, Bussen oder Kreuzfahrtschiffen können bei der SÖP völlig kostenlos Streitfälle melden. Voraussetzung ist, dass man zunächst bei den Unternehmen vergeblich seine Ansprüche wegen Verspätungen oder Ausfällen eingefordert hat. Dann wird die SÖP tätig und versucht eine außergerichtliche Einigung zu erreichen – oft nach einigen Monaten erfolgreich. Der allergrößte Teil der SÖP-Arbeit betrifft Streitfälle aus der Flugbranche.

 

Es lohnt sich häufig, die Schlichter einzuschalten. Denn rund 370 Verkehrsunternehmen beteiligen sich mittlerweile an dem Schlichtungsverfahren, das sie über Mitgliedsbeiträge finanzieren. Wer dabei ist, muss die Entscheidungen der Juristen bis zu bestimmten Streitwerten akzeptieren. Die betroffenen Kunden können den Schlichtervorschlag aber ablehnen und immer noch auf eigenes Risiko klagen. Oder sich an ein kommerzielles Fluggastrechteportal wenden.

Der schnelle Weg zur Bar-Entschädigung kostet

Wer sofort Bares sehen möchte, kann den Fall zum Beispiel beim Portal EU Flight melden, das die Verbraucherschützer von Finanztip empfehlen. Wenn Aussicht auf Erfolg besteht, zahlt das Portal binnen zwei Tagen und versucht dann, die Forderung auf eigenes Risiko durchzusetzen. Der Vorteil: Der Reisende muss sich um nichts mehr kümmern und kann das sofort ausbezahlte Geld behalten, selbst wenn die Airline später nichts zahlt. EU Flight behält für seine Dienste allerdings 42 Prozent der Forderung.

Günstiger arbeiten die meisten anderen kommerziellen Portale wie Fairplane oder EU Claim, die im Erfolgsfall meist 25 bis 30 Prozent berechnen. Auch hier hat der enttäuschte Fluggast wenig Arbeit, kein Kostenrisiko und profitiert von der Erfahrung und Durchsetzungsstärke der Dienstleister, die mit ihren Anwälten auch keine Klagen gegen sture und große Airlines scheuen. Der Nachteil: Geld gibt es nur bei Erfolg gegen die Fluggesellschaft und oft erst nach Wochen oder gar Jahren.

Bis zu 600 Euro für drei Stunden Verspätung

Wie viel Entschädigung gezahlt werden muss, ist seit vielen Jahren per Gesetz geregelt. Die EU-Verordnung 261/2004 regelt, dass Passagiere sich bei gestrichenen oder überbuchten Flügen den Ticketpreis erstatten lassen oder einen Ersatzflug verlangen können. Bei Verspätungen ab drei Stunden gibt es als Ausgleich 250 Euro (Flüge bis 1500 Kilometer), 400 Euro (bis 3500 Kilometer) oder 600 Euro (Langstrecken). Außerdem hat der Reisende bei längeren Wartezeiten Anspruch auf Betreuungsleistungen. Dazu gehören Getränke, Mahlzeiten, Telefonate und nach Umständen eine Übernachtung im Hotel. Die Verordnung gilt in allen EU-Mitgliedstaaten und für Flüge, die in der EU starten oder mit einer europäischen Airline in die EU gehen. Die Ansprüche verjähren nach drei Jahren.

Es gibt zahlreiche Ausnahmen und viele Streitfälle, wenn Airlines wie im Falle der Streiks bei Ryanair oder Tuifly die Leistungen teils zu Unrecht verweigern. Der Ausgleich entfällt oder kann gekürzt werden, wenn Airlines zeitnahe Ersatzflüge anbieten, die Nichtbeförderung nachweislich nicht zu verantworten haben oder Flüge mindestens zwei Wochen vor dem Start annullieren. Wenn sich Unternehmen auf unvermeidbare Ereignisse wie schlechtes Wetter oder Streiks berufen, müssen sie das nachweisen. Im Falle der wilden Streiks bei Tuifly wurde der Ferienflieger von den Gerichten zur Zahlung verurteilt.