Rechtsausschuss berät über Affäre wegen Landesverrats Kein Fortschritt bei der Aufklärung

Es ist fraglich, ob noch offene Fragen zur „Netzpolitik“-Affäre je beantwortet werden. Die Hauptakteure wiederholten im Rechtsausschuss des Bundestags am Mittwoch ihre jeweiligen Versionen. Der Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Hans-Georg Maaßen, und Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) erschienen erst gar nicht.
Im Kern ist der Rechtsausschuss bei der Aufklärung der Affäre wegen der mittlerweile eingestellten Landesverratsermittlungen gegen zwei Blogger von netzpolitik.org nicht wirklich weitergekommen. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sowie seine Staatssekretärin Stefanie Hubig auf der einen und der geschasste Generalbundesanwalt Harald Range auf der anderen Seite blieben in der Sondersitzung des Ausschusses am Mittwoch bei ihren widersprüchlichen Aussagen. Range erläuterte laut Teilnehmern, dass die Staatssekretärin ihn telefonisch angewiesen habe, die Ermittlungen einzustellen und den Auftrag für ein externes Gutachten zurückzuziehen, sonst gehe es um seinen Kopf. Die herbeizitierte Staatssekretärin Hubig und Justizminister Maas wiesen diese Darstellung vehement zurück und betonten, es habe keine Weisung gegeben.
Maaßen und de Maizière glänzen durch Abwesenheit
Die Opposition kritisierte vor allem den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Hans-Georg Maaßen, und Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), die sich vor dem Ausschuss vertreten ließen. Dass Maaßen seinen Urlaub fortsetzte, wurde vielfach bemängelt. „Wir sind doch auch aus dem Urlaub zurückgekommen“, sagte die Links-Politikerin Halina Wawzyniak. Sie sieht den Verfassungsschutzchef im Zusammenspiel mit dem Generalbundesanwalt als Schlüsselfigur der Affäre; beide hätten „gedeckt vom Bundesinnenministerium und vom Kanzleramt ein völlig unsinniges Ermittlungsverfahren veranlasst.“
Auch Konstantin von Notz (Grüne) ist der Auffassung, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die ganze Sache losgetreten hat. Seine Fraktionskollegin Katja Keul kritisierte, dass das Innenministerium Maaßens Vorgehen nach wie vor als vertretbar einstuft. Die Ausschussvorsitzende Renate Künast sprach von „Irrlichtereien“ der Verantwortlichen. „Der Sinn der Anzeige war die Einschüchterung der Medien.“ Im Zorn über die Veröffentlichung eines Geheimdokuments als Volltext im Internet habe der Verfassungsschutz „eine Granate gezündet, die voll nach hinten losgegangen ist“, fügte sie hinzu.
Abgang durch die Hintertür
Die Vertreter der Koalitionsfraktionen verhielten sich auftragsgemäß. Der SPD-Rechtspolitiker Johannes Fechner lobte den SPD-Justizminister dafür, alles richtig gemacht zu haben, und bedauerte demonstrativ die Abwesenheit von Christdemokrat Thomas de Maizière und dessen Behördenchef Maaßen. Dahingegen staunte die CDU-Abgeordnete Elisabeth Winkelmeier-Becker über die widersprüchlichen Aussagen von Range und Maas, nannte es aber „sehr plausibel, wie Verfassungsschutz und Innenministerium einen strafrechtlich relevanten Vorgang an die Justiz gegeben haben.“
Um ungestört an Mikrofonen und Kameras vorbeizukommen, wählte Heiko Maas den Hinterausgang aus dem Sitzungssaal. De Maizière und Maaßen müssen sich auf eine neue Ladung vor den Ausschuss einstellen. „Die Sitzung wurde nur vertagt. Das Thema kommt wieder auf die Tagesordnung“, erklärte Renate Künast.
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