Die FDP handelt sich mit ihrem Veto gegen einen Verbotsantrag der Bundesregierung massive Kritik ein. Die Sozialdemokraten werfen Kanzlerin Angela Merkel vor, sie schade Deutschland.
Berlin - Am Mittwoch wird die Kanzlerin eine Entscheidung fällen, die ihr die FDP schon vorformuliert hat. Aber sie muss sich dazu nicht überwinden. Sie wird nach der Kabinettssitzung verkünden lassen, dass die Bundesregierung keinen eigenen Antrag zum Verbot der NPD stellen, aber den Antrag der Länder mit aller Macht unterstützen werde.
Das Veto der liberalen Minister trifft beim Koalitionspartner nicht auf ungeteilten Beifall – schon gar nicht bei der Opposition. Gerda Hasselfeldt, die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, machte deutlich, dass sie ein Verbotsverfahren befürwortet. Es müsse aber nicht zwangläufig mehrere Anträge dafür geben. Für das Ergebnis des Verfahrens sei dies „nicht erheblich“, sagte die CSU-Frau.
CSU-Chef Seehofer rüffelt den FDP-Vorsitzenden Rösler
Ihr Parteichef, der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer, einer der Erfinder des NPD-Verbots, spricht ein bisschen ungnädiger über die Blockade der liberalen Minister. Vor allem passt ihm nicht, wie FDP-Chef Philipp Rösler argumentiert hat. Er hatte gesagt, dass man Dummheit nicht verbieten könne. Seehofer konterte, es gehe hier nicht um Dummheit, sondern um verfassungsfeindliche Politik. Er halte Röslers Begründung für „fragwürdig“. Der Rechtsradikalismus sei für Deutschland eine größere Herausforderung als der Umgang mit der Dummheit. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) wertet die Zurückhaltung der Bundesregierung als völlig falsches Signal. „Ich bedauere es sehr, dass die FDP den breiten Konsens, den es bisher für einen NPD-Verbotsantrag gegeben hat, verlässt“, sagte er.
Die Unionsfraktion im Bundestag hat das heikle Thema erst einmal vertagt. Gestern stand es nicht auf der Tagesordnung der Fraktionssitzung. Man werde nun erst einmal abwarten, wie die Bundesregierung ihr Vorgehen begründe, sagte Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU). Erst im April sei dann zu entscheiden, ob das Parlament eigenständig einen Verbotsantrag stellt, worauf die SPD-Fraktion dringt. Man müsse „mit aller Kraft gegen die NPD vorgehen“, so Grosse-Brömer. Dazu bedürfe es aber nicht mehrfacher Verbotsanträge. „Der Antrag der Länder wird ja nicht besser oder schlechter dadurch, dass es noch einen zweiten gibt“, betonte der CDU-Mann. Mitte Dezember hatte sich der Bundesrat dafür ausgesprochen, ein neuerliches Verbotsverfahren gegen die rechtsextremistische Partei anzustrengen. 2003 waren Bund und Länder mit einem ersten solchen Versuch gescheitert. Damals hatten sowohl der Bundestag als auch die Bundesregierung und die Länderkammer Verbotsanträge gestellt.
Innenminister Gall nennt Verhalten der FDP „blamabel“
Die FDP-Fraktion ist laut Generalsekretär Patrick Döring fast einstimmig gegen einen Antrag des Parlaments. Die Liberalen stünden Parteiverboten generell skeptisch gegenüber und wollten rechtsradikales Gedankengut politisch bekämpfen, aber nicht über das Verfassungsgericht. Die Gefahr sei groß, dass ein solches Verfahren zum zweiten Mal scheitere. Die NPD bekäme dann „das Siegel der Verfassungsmäßigkeit“.
Die SPD wiederholte ihre Forderung nach einem eigenen Antrag des Bundestags. Union und FDP dürften sich nicht „hinter der Bundesregierung verstecken“, sagte Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. Im Falle eines SPD-Antrages will die Fraktionsspitze der Union die Abstimmung aber nicht freigeben. Dies sei keine Gewissensfrage, sondern eine politische Frage, sagte Michael Grosse-Brömer.
SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück wertete den Rückzieher der Bundesregierung als enttäuschend. Wenn man einer Partei wie der NPD das Wasser abgraben wolle, sei dazu auch der Gang nach Karlsruhe notwendig. Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall (SPD) kritisierte den Bund scharf. Er nannte das Verhalten der liberalen Minister „blamabel“. Das Schweigen der Kanzlerin schade dem Ansehen Deutschlands. Gall sprach von einem „falsch verstandenen Liberalismus“ und „bodenloser Gleichgültigkeit“.