Braune Gesinnung ist unter Polizisten, Soldaten und Mitarbeitern von Nachrichtendiensten offenbar kein Einzelfall. Dennoch gibt es keinen Grund für einen Generalverdacht gegen die Sicherheitsorgane. Der Staat handelt neuerdings entschlossen. Mit einer schlichten Bestandsaufnahme ist es allerdings nicht getan, meint StZ-Autor Armin Käfer.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Stuttgart - Wer bei der Polizei, der Bundeswehr oder anderen Sicherheitsbehörden arbeitet, hat einen Diensteid zu leisten, bevor sein erstes Gehalt überwiesen wird. Braune Gesinnung ist mit diesem Diensteid nicht vereinbar. Rassisten, Antisemiten und Neonazis haben bei den Organen, die dem Schutz des Landes und seiner Verfassungsordnung dienen, nichts verloren. Deshalb ist jeder einzelne Fall, bei dem Zweifel an der Verfassungstreue aufkommen, ein Alarmsignal. Jeder Polizist oder Soldat, jeder gewöhnliche Beamte, bei dem sich solche Zweifel als berechtigt erweisen, verstößt auf eklatante Weise gegen seine Dienstpflichten. Der Bundesinnenminister nennt jeden dieser Einzelfälle eine Schande. Da ist ihm nicht zu widersprechen.

 

Dutzende Uniformträger mit rechter Gesinnung enttarnt

Doch es handelt sich leider längst nicht nur um Einzelfälle. In den vergangenen drei Jahren wurden Dutzende Uniformträger enttarnt, die rechtsextremistisches Gedankengut hegen und einschlägige Phrasen verbreiten. Das ist ein heikler Befund – bis jetzt aber nur eine Momentaufnahme, weil der Staat erst damit begonnen hat, sich intensiver um solche Umtriebe zu kümmern und sich erst anschickt, Hintergründe, Entstehungsbedingungen sowie eventuelle Verquickungen auszuleuchten. Dafür gibt es offenkundig dringende Gründe: Verfassungsfeinde in Uniform demolieren den Respekt vor den Sicherheitsorganen. Das Gewaltmonopol des Staates verlangt von Ordnungshütern, die es ausüben, unabdingbare Rechtstreue – ganz besonders mit Blick auf die Werte und den Geist des Grundgesetzes.

Jeder Rechtsextremist in den Reihen der Polizei, der Bundeswehr oder der Nachrichtendienste ist ein Skandal für sich. Dennoch gibt es keinen Anlass zu einem Generalverdacht. Ungeachtet der jetzt dokumentierten Fälle verhalten sich weit mehr als 99 Prozent aller Polizisten, Soldaten und Sicherheitsbeamten wohl so, wie man es als Bürger erwarten darf: verfassungskonform – auch wenn aktuelle Vorkommnisse in dem jetzt veröffentlichten Bericht noch nicht berücksichtigt sind und dieser nur offiziell registrierte Beobachtungen auflistet. Immerhin wurde viele davon nur aufgrund interner Hinweise aktenkundig. Staatsbürgerliche Verantwortung und demokratische Überzeugungen sind in Kasernen und Polizeirevieren weiter verbreitet ist als falscher Korpsgeist und missverstandene Kameraderie.

Keine Indizien für institutionalisierten Rassismus bei der Polizei

Bisher gibt es keine Indizien für institutionalisierten Rassismus oder fest gefügte rechtsextremistische Strukturen im Sicherheitsapparat. Vorsicht ist allerdings geboten. Auch Chatgruppen sind Netzwerke – aus denen verkappte Organisationen entstehen können, die dem Zweck der Behörden zuwiderlaufen, in denen sie sich breitmachen. Ein besonderes Problem in dieser Hinsicht hat die Bundeswehr. Just in ihrer Elitetruppe KSK sind Rechtsextremisten offenbar keine Ausnahmefälle. Zudem hat sich der Militärische Abschirmdienst als unfähig erwiesen.

Die Bundesregierung widmet sich rechtsextremistischen Umtrieben inzwischen mit einer lange vermissten Entschlossenheit. Gleichwohl steht in Frage, ob die bisher praktizierten Verfahren gegen braunen Ungeist immunisieren – etwa bei der Auswahl von Nachwuchskräften oder im Umgang mit Frust, der aus leidigen Alltagserfahrungen resultiert und in rassistische Parolen umschlagen kann. Routineanfragen beim Verfassungsschutz könnten hilfreich sein. Ebenso scheint es angezeigt, unabhängige Ombudsleute nach dem Vorbild der Wehrbeauftragten zu installieren, an die sich Kollegen mit Hinweisen wenden könnten, ohne den Dienstweg einhalten und eventuelle Schikanen befürchten zu müssen. Es geht hier nicht um x-beliebige Dienstvergehen, sondern letztlich um nichts weniger als um die Integrität des Staates.