„Wir beschäftigen uns schon heute mit Altautos von morgen“, sagt Stephan Karle. Auf den Geschäftsführer des gleichnamigen Recyclingbetriebes in Feuerbach und die Branche kommen mit der Produktion neuer Antriebstechniken auch ganz neue Herausforderungen zu.

Feuerbach - Die Debatte um manipulierte Abgaswerte, Diesel-Fahrverbote, Umweltprämien, Feinstaub und Stickoxide ebbt nicht ab. Die Folgen haben nicht nur Diesel-Besitzer zu tragen. Auch Autoverwerter beschäftigen die Regelungen, weil noch fahrtüchtige Fahrzeuge auf Schrottplätzen landen. Stephan Karle, Geschäftsführer von Karle Recycling und Vizepräsident der Bundesvereinigung Deutscher Stahlrecycling- und Entsorgungsunternehmen (BDSV), stellt klar: „Aus der politischen Dieseldiskussion halte ich mich heraus. Womit ich mich auskenne, ist das Thema Recycling.“ Für ihn ist die momentane Situation eine Art „Déjà-vu-Erlebnis“. Denn eine Abwrackprämie gab es bereits 2009. Allerdings sei damals die Zahl der Abwrack-Fahrzeuge höher gewesen als jetzt.

 

Was unterscheidet die Umweltprämie von der Abwrackprämie?

Die Abwrackprämie war eine staatliche Maßnahme. „Der Gesetzgeber zahlte und forderte dafür einen Nachweis, dass das Auto verschrottet wurde“, erklärt Karle. Bei der Umweltprämie handelt es sich um eine freiwillige Rabattmaßnahme der Automobilwirtschaft. „Unter dem Wörtchen Umweltprämie werden jetzt Fahrzeuge vom Markt genommen und neue in den Verkehr gebracht“, sagt der Feuerbacher Schrotthändler. Bei ihm im Betrieb landen im Zuge der Maßnahme hauptsächlich Dieselfahrzeuge bis Euro-4-Norm.

Wie groß ist der Zulauf an Fahrzeugen?

Insgesamt etwa 750 Diesel-Fahrzeuge wanderten bisher im Zuge der Einführung der Umweltprämie bei Karle Recycling in den Shredder. Das sind weit weniger als zu Zeiten der Abwrackprämie: „Damals hatten wir in der Spitzenzeit bis zu 200 Fahrzeuge am Tag und jetzt sind es vielleicht 5 bis 10 Fahrzeuge pro Tag.“

Gibt oder gab es Entsorgungsengpässe?

„Nein, die Branche hat genug Verschrottungskapazitäten“, sagt der BDSV-Vizepräsident. Nach seiner Auffassung sollten ältere Diesel, für deren Beseitigung eine sogenannte Umweltprämie ausgezahlt wurde, nachweislich von zertifizierten Altautoverwertern entsorgt werden: „Wenn man zu dem Ergebnis kommt, dass solche Dieselfahrzeuge umwelt- und gesundheitsgefährdend sind, dann sollte man sie konsequent aus dem Markt nehmen und nicht woanders weiterlaufen lassen.“ Doch offenbar landet ein Teil der älteren Diesel-Fahrzeuge auch in Mittelost- und Südosteuropa. „Sie einfach ins Ausland zu karren und sie zum Problem von anderen zu machen, ist sicher nicht sinnvoll“, sagt Karle.

Welche Rohstoffe können beim Autorecycling wiedergewonnen werden?

Ein Auto besteht zu etwa 75 Prozent aus Metallen, wie etwa Stahl, Aluminium und Kupfer. „Den Metallanteil gewinnen wir praktisch komplett zurück. Doch auch die anderen Bestandteile eines Autos, zum Beispiel Kunststoff, Glas und Gummi, werden in entsprechende Verwertungswege gegeben“, sagt Karle. Insgesamt liege die Verwertungsquote „dank moderner Recyclinganlagen bei 95 Prozent, wenn wir die thermische Verwertung mitrechnen“. Die eigentliche ökologische Problematik sei aber der CO2-Fußabdruck, den ein Fahrzeug im Laufe seines Lebenszyklus hinterlasse. Grundsätzlich gilt: „Je sparsamer ein Auto im Verbrauch ist und je länger es fährt, desto besser ist auch seine CO2-Bilanz.“ So gesehen ist die Verschrottung noch fahrtüchtiger Dieselfahrzeuge ein zweischneidiges Schwert: „Wenn die Leute wegen der Umweltprämie ihren 4,5-Liter-Diesel abstoßen und sich dafür beispielsweise einen 9-Liter-Benziner kaufen, dann hilft uns das vielleicht beim Thema Stickoxid und Feinstaub weiter, für das Thema CO2-Werte hilft es uns aber sicher nicht.“ Und Kohlendioxid ist global gesehen das relevantere Problem. Nur den Fokus auf Verbrauch zu richten, führt auch zu Fehlsteuerungen: „Der Hersteller macht das Auto leichter, weil es dann weniger Kraftstoff braucht. Statt eines Stahlblechs nimmt er zum Beispiel einen Verbundstoff aus Alu und Kunststoff, was aber nur schwer recycelbar ist“, erklärt Karle und fordert daher: „Die Automobilindustrie muss lernen, schon bei der Konstruktion eines Autos an eine umweltgerechte Verwertung zu denken.“

Wie sieht es bei der Verwertung künftiger Automobilgenerationen aus?

„Das ist ein großes Thema für uns“, sagt Karle. Denn die Technik der Fahrzeuge wird immer komplexer. Es gibt gasbetriebene Fahrzeuge. Diese enthalten einen Gastank mit bis zu 200 Bar Druck. Es gibt Hybridfahrzeuge mit 48-Volt-Bordnetzen oder Elektroautos mit Hochvoltkomponenten: „Wenn Sie da falsch an den Akku hinlangen, dann kriegen sie einen tödlichen Stromschlag. Das sind neue Gefahrenpotenziale, die immer höher qualifizierte Mitarbeiter erfordern“, sagt Karle. Hinzu kommen neue Stoffe wie Karbonfasern, die bei der Verbrennung problematisch sind, oder Klimamittel, die speziell entsorgt werden müssen.

Wie recyclingfähig sind eigentlich die Elektroautos?

Bei Auto-Akkus gibt es im Moment kaum sinnvolle Recyclingmethoden: „Sie können zwar die Batterien schadlos beseitigen und auch Teile der Rohstoffe zurückgewinnen, aber der größte Teil geht in der Schmelze verloren.“ Stephan Karle war vergangenen September als einer von mehr als 100 Teilnehmern auf Delegationsreise mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann in Kalifornien und in Kanada. „Wir haben dort auch einen Brennstoffzellenhersteller besucht.“ Karle ist überzeugt, dass sich das Fahrzeug mit Brennstoffzelle auf lange Sicht als Auto der Zukunft erweisen wird. „Der Wasserstoff kann Energie mit großer Dichte speichern, der von der Brennstoffzelle praktisch emissionsfrei in Strom umgewandelt wird. Und diese lässt sich zu 98 Prozent stofflich recyceln, das kriegen sie bei einem Akku niemals hin.“

Wie gut lassen sich batteriebetriebene Autos demontieren?

Im Vergleich zur jetzigen Antriebstechnik fällt die Bilanz bis dato ungünstig aus: Um ein herkömmliches Auto trockenzulegen, braucht man auf der Hebebühne rund 45 Minuten. Der Ausbau der Akku-Technik ist dagegen ein komplexer Vorgang: „Da rechnen wir je nach Fahrzeug mit 3 oder 4 Stunden.“ Auch das Thema Ausbildung und Sicherheit spielt eine große Rolle: „Wir haben in unserem Betrieb extra einen Kfz-Mechaniker eingestellt, weil wir die Kompetenz brauchen, wenn in einem Auto Hochvoltkomponenten verbaut sind.“

Wird die Demontage und Verschrottung von Autos unrentabler?

Fallen die Rohstoffpreise weiter und wird das Zerlegen der Fahrzeuge aufwendiger, steigen damit auch die Kosten der Entsorgung. „Doch der Gesetzgeber hat festgelegt, dass dies nicht zum Problem des Autobesitzers werden darf, sondern dass die Hersteller die Altautos zurücknehmen müssen, ohne dass dem Besitzer Kosten entstehen“, erklärt Karle. Im „Wirtschaftskreis Altfahrzeuge“ haben sich daher die Automobilhersteller und die Recyclingwirtschaft zu einem Bündnis zusammengeschlossen, um gemeinsam an Konzepten für Entsorgungskreisläufe für Altautos der Zukunft zu arbeiten: Karle sitzt mit in dem Wirtschaftskreis. „Auch dort spielt das Thema Elektromobilität eine große Rolle“, sagt er.