Der US-Präsident fordert in seiner letzten Rede zur Lage der Nation erneut die Schließung des Gefangenenlagers Guantánamo – das scheint aber unrealistisch. Ein Kommentar von Damir Fras.

Washington - Nach zirka 50 Minuten kam Barack Obama in seiner Rede zur Lage der Nation am Dienstagabend dann doch noch auf sein großes Versprechen aus dem Wahlkampf des Jahres 2008 zu sprechen. Und wieder einmal gelobte der US-Präsident, er werde nicht ruhen, bis das Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba geschlossen sei. Doch wieder einmal, muss man sagen, dürfte es sich dabei ein leeres Versprechen gehandelt haben. Denn Obama läuft die Zeit davon.

 

Zwar hat der US-Präsident in allen Punkten Recht. Guantanamo ist teuer. Guantánamo ist unnötig. Guantánamo dient den Feinden Amerikas als Mittel zur Rekrutierung von Nachwuchsterroristen. Für Guantánamo gibt es keine guten Gründe mehr, wenn es sie denn je gegeben haben sollte. Es gibt nur noch Gründe, das Lager, in dem derzeit noch 103 Gefangene sitzen, aufzulösen.

Doch genau das wird aller Voraussicht nach nicht geschehen. Es liegt nicht an Obama, er will die Häftlinge schon seit Jahren in Hochsicherheitsgefängnisse auf dem US-Festland überführen. Es liegt daran, dass sich der US-Kongress bislang beharrlich weigert, Obamas Pläne zu billigen. Kaum ein Republikaner und nur wenige Demokraten trauen sich, ihren Wählern zu sagen, dass die Gefahr von Terroranschlägen nicht steigt, wenn ein paar Dutzend Häftlinge nicht mehr auf Kuba eingesperrt sind, sondern in den USA selbst.

Spätestens seit dem Massaker von San Bernardino nutzen vor allem die republikanischen Präsidentschaftswahlkämpfer die Angst der Menschen vor Attentaten schamlos aus und schüren sie. Das ist zwar unanständig, doch aus dem US-Wahlkampf hat sich der Anstand leider schon vor Jahren verabschiedet.