Die Bundesregierung ist sich einig: Der Eurorettungsfonds ESM soll zum Europäischen Währungsfonds ausgebaut werden. Damit will Deutschland Südeuropa entgegenkommen.

Berlin - In der Bundesregierung nimmt der Plan Gestalt an, wie die Europäische Währungsunion weiterentwickelt werden soll. Vom französischen Vorschlag für einen Eurofinanzminister oder ein neues Budget für die Euroländer halten Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) wenig. Der Schwerpunkt der Reform soll darin bestehen, den Eurorettungsfonds ESM zum Europäischen Währungsfonds auszubauen. Hinter der Abkürzung steht ein gewaltiger Geldtopf, der zu Beginn der Eurokrise mit einem Ausleihvolumen von 500 Milliarden Euro versehen worden ist. Dieser Topf soll künftig leichter angezapft werden können. Die Bundesregierung will aber nach dem Prinzip Zuckerbrot und Peitsche verfahren. Es geht nicht nur um leichteren Zugang zu Geldmitteln, der ESM soll auch neue Aufgaben in der Haushaltsüberwachung erhalten.

 

In Union und SPD wird über die Ausgestaltung debattiert. Die Unionsfraktion will verhindern, dass am Ende ein Finanztransfer von reichen in schwächere Eurostaaten steht. Eckhardt Rehberg, haushaltspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, sagte unserer Zeitung: „Die Unionsfraktion im Bundestag setzt sich für ein starkes Europa ein. Sie nimmt aber immer auch die Interessen des deutschen Steuerzahlers wahr.“ Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hat bisher Festlegungen vermieden. Er stellte jedoch klar, dass kein neuer Krisenfonds eingerichtet wird, wie dies der Internationale Währungsfonds (IWF) vorgeschlagen hatte. Stattdessen soll der ESM fortentwickelt werden.

Was kann der Rettungsfonds?

Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) wurde 2012 auf dem Höhepunkt der europäischen Schuldenkrise gegründet. Er soll Eurostaaten in Notfällen unterstützen und eine Brandmauer errichten, damit Krisen nicht übergreifen. Der ESM vergibt Kredite an Länder und kann Staatsanleihen aufkaufen. Im Falls Spaniens half der ESM dabei, notleidende Banken mit Kapital auszustatten. Die maximale Kreditvergabefähigkeit ist auf 500 Milliarden Euro begrenzt. Bedingung für die Finanzspritzen ist, dass die Eurostaaten Spar- und Reformauflagen akzeptieren. Der ESM half bisher Griechenland, Portugal, Irland und Zypern sowie den spanischen Banken. Weil einige Kredite noch laufen, beträgt die maximale Ausleihekapazität aktuell noch 380 Milliarden Euro. Das entspricht etwas mehr als dem Bundeshaushalt.

Was soll der Fonds künftig leisten?

Kern der Debatte ist, dass der ESM künftig nicht mehr ausschließlich in Krisenfällen tätig wird. Vielmehr soll der Fonds auch vorsorgliche Hilfen vergeben können, wenn dies außergewöhnliche Umstände erfordern. Der Vorschlag stammt vom früheren Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der heute Bundestagspräsident ist. Nach Schäubles Vorstellungen könnte der ESM etwa einspringen, wenn eine gewaltige Naturkatastrophe oder eine Bankenkrise einen Eurostaat überfordert.

Warum mehr Krisenvorsorge?

Die Befürworter der ESM-Erweiterung argumentieren, in der Eurozone gebe es keine Instrumente gegen ökonomische Schocks. Dazu könnte etwa zählen, dass die Arbeitslosigkeit in einem Land plötzlich stark steigt. Der ESM soll die Rolle eines „Schlechtwetterfonds“ übernehmen. Auf diese Weise werde auch die Europäische Zentralbank (EZB) entlastet. Die südeuropäischen Länder wollen erreichen, dass der ESM seine vorsorglichen Hilfen nicht mehr als Kredite vergibt. Vielmehr sollen Zuwendungen möglich sein. Das würde bedeuten, die Gelder müssten nicht mehr zurückbezahlt werden. Das stößt aber in der Bundesregierung auf Widerstand. Die Union will daran festhalten, dass Kredite nur gegen Bedingungen gewährt werden. CDU-Haushaltspolitiker Rehberg sagte: „Auch ein erweiterter ESM darf nur unter strengen Auflagen Finanzhilfen an Eurostaaten vergeben.“ Dieser Grundsatz entspricht dem geltenden Regelwerk des ESM. Bisher schon kann der Fonds vorsorgliche Kredite zur Abwendung ökonomischer Schwierigkeiten vergeben, allerdings nur dann, wenn die grundsätzlichen Wirtschaftsdaten eines Landes gesund sind. Diese Darlehen sind bisher noch nie beantragt worden.

Wer soll das Sagen haben?

In der Diskussion spielt eine große Rolle, wer künftig beim ESM das Sagen hat. Bisher entscheiden die Euroländer in jedem einzelnen Fall über Anträge auf Finanzmittel. Beim ESM handelt es sich um eine intergouvernementale Institution, das heißt, die nationalen Regierungen und Parlamente haben das letzte Wort. Der Bundestag muss über Kredite und Programme abstimmen. Der Koalitionsvertrag von Union und SPD sieht vor, den Fonds in europäisches Gemeinschaftsrecht zu überführen, es gleichzeitig bei den Mitspracherechten des Bundestags zu belassen. Eine neue EU-Institution stößt nicht nur in Deutschland auf viel Widerstand. „Bei jeder Auszahlung muss der Deutsche Bundestag zustimmen. So hat es das Bundesverfassungsgericht vorgegeben, und davon rücken wir nicht ab“, sagte Rehberg.