Viele Jahre ging der Streit hin und her, wie die Spielregeln für Volksbegehren und Volksabstimmungen in Baden-Württemberg aussehen sollen. Nun ist der ganze Landtag für mehr direkte Demokratie.

Stuttgart - Durch eine Volksabstimmung ist der Südweststaat überhaupt entstanden. Baden-Württemberg war dann das erste Land, welches das Instrument des Volksbegehrens in seine Verfassung aufgenommen hat – und doch hinkte es bis Mittwoch anderen Bundesländern hinterher. Die Hürden waren so hoch, dass nur ein einziges mal eine Volksabstimmung durch ein Volksbegehren zustande kam. Das war 1971, als die Bürger mit der Kreisreform haderten. Der anschließende Entscheid scheiterte aber am Quorum von einem Drittel aller Stimmberechtigten, die hätten zustimmen müssen. Die zweite Volksabstimmung im November 2011 kam nicht durch ein Volksbegehren, sondern durch eine Finte von Regierung und Parlament zustande. Es musste eine unüberbrückbare Differenz zwischen Regierung und Landtag konstruiert werden, um das Volk zu Wort kommen zu lassen.

 

Die hohen Hürden für die Bürgerbeteiligung waren SPD und Grünen schon lange ein Dorn im Auge. Doch die Zweidrittelmehrheit für die Verfassungsänderung war nicht in Sicht. Zeitweise wollte die SPD die Quoren auf Null senken, die CDU wollte die Hürden von einem Sechstel der Wahlberechtigten für ein Volksbegehren und einem Drittel für Volksabstimmungen beibehalten.

Die CDU macht geschlossen mit

Am Mittwoch herrschte nach jahrelangem Streit geradezu Harmonie im Landtag. Für die CDU, ohne deren Zustimmung die Änderung nicht möglich gewesen wäre, lobte Volker Schebesta in der Plenardebatte, die Änderungen bedeuteten eine Weiterentwicklung der Verfassung. Er wertete es als „ein gutes Zeichen und ein gutes Signal für die politische Arbeit in unserem Land“, dass „Einigkeit aller politischen Kräfte“ erreicht worden sei. Er sagte, es sei ein guter Ausgleich zwischen der Stärkung der direkten Demokratie und der Wahrung der repräsentativen Demokratie gelungen.

Hans-Ulrich Sckerl (Grüne) betonte, „wir haben Trennendes zurückgestellt und das Gemeinsame betont“. Reformbedarf habe bestanden. Die Instrumente der direkten Demokratie müssten auch realistisch erreichbar sein. Dafür habe der Landtag nun die Voraussetzungen geschaffen. So werde die Landespolitik bürgerfreundlicher und zugänglicher. Die Grünen verstehen die direkte Demokratie als mögliches Korrektiv, jedoch nicht als Schwächung oder Abschaffung der parlamentarischen Demokratie.

Sascha Binder (SPD) wertete den Konsens der Fraktionen über die Verfassungsänderung als klaren Beweis dafür, dass die repräsentative Demokratie „hervorragend funktioniert“. Der Volksantrag, mit dem 0,5 Prozent der Wahlberechtigten verlangen können, dass sich der Landtag mit einem Thema befasst, ist für die SPD eine „niederschwellige Möglichkeit, den Landtag mit Themen zu befassen, die den Menschen auf den Nägeln brennen“. Das sei keine Gefahr, sondern eine Bereicherung der Demokratie.

Zufriedene FDP

Rundum zufrieden zeigte sich die FDP. Ulrich Goll lobte, dass sich alle Fraktionen „vernünftig verständigt haben“. Entstanden sei ein Kompromiss, wie ihn die Liberalen schon seit Jahren hätten haben wollen. „Für uns ist das ein absolutes Wunschergebnis“, sagte der ehemalige Landesjustizminister. Dass die Quoren für Volksbegehren und Volksabstimmung jeweils um 40 Prozent gesenkt würden, sei ein großer Schritt in Sachen Bürgerbeteiligung.

Von allen Seiten gab es Lob für das Parlament. Der Verein „Mehr Demokratie“ sprach von einem „maßgeblichen Demokratiefortschritt“, Brigitte Dahlbender (Bund) von einem „guten Tag für mehr Mitsprache und Mitentscheidung der Bürger“ . Im Landtag ging die Harmonie soweit, dass SPD und Grüne den CDU-Redner Volker Schebesta kräftiger beklatschten als dessen eigene Fraktion.