Immer mehr Kirchengemeinden wollen homosexuellen Paaren den Segen nicht länger vorenthalten. Doch das ist kein Selbstläufer. Beispiele von der Filderebene.

Filder - Es war ein zähes Ringen. In der Herbstsynode 2017 setzte es zunächst ein Nein, dann gingen mehr als 80 Prozent der Dekane auf die Barrikaden, und erst im Frühjahr 2019 kam der Durchbruch: Da beschloss die Landessynode ein Gesetz, das öffentliche gottesdienstliche Segnungen von gleichgeschlechtlichen Paaren in bis zu einem Viertel der rund 1300 Gemeinden der evangelischen Landeskirche in Württemberg zulässt. Seit 2020 ist das Gesetz in Kraft. „Wir sind deutschlandweit die letzte Landeskirche“, betont die Pfarrerin Petra Dais, die Stuttgarter Prälaturbeauftragte des Bündnisses „Kirche & Homosexualität“.

 

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Zwei Kirchengemeinden, die sich auf den Weg gemacht haben, bald Lesben und Schwule segnen zu dürfen, sind Alt-Heumaden und Riedenberg. Das Prozedere ist langwierig und wirkt umständlich. Grundsätzlich müssen sich Dreiviertelmehrheiten in den Pfarrämtern und auch in den Kirchengemeinderäten dafür aussprechen. Dann können die Gemeinden ihr Interesse beim Oberkirchenrat anmelden. Das dort zuständige Referat schreibt daraufhin die Gemeinden an, beantragt die sogenannte vertiefte Befassung und schickt nach deren Abschluss einen Antrag zur Änderung der örtlichen Gottesdienstordnung. Die Gemeinden leiten das dann in die Wege.

Dreiviertelmehrheit wurde weit übertroffen

In Alt-Heumaden läuft der Prozess seit 2020. „Die Dreiviertelmehrheit haben wir weit übertroffen“, sagt der Pfarrer Jörg Scheiring, die vertiefte Befassung hat auch schon stattgefunden – im Kirchengemeinderat und auch in der Gemeindeversammlung. Auf einen „bunten Querschnitt durch alle Meinungen“ sei er dort getroffen, der überwiegende Teil sei aber positiv gewesen. „Wir haben es sachlich gut für uns abgewogen. Wir haben einen guten Weg hinter uns“, betont Jörg Scheiring.

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Riedenberg wiederum steht noch am Anfang. Vor wenigen Tagen kam der Antrag auf die vertiefte Befassung. Die Pfarrerin Elisabeth Jooß erklärt, dass das weitere Vorgehen beim Kirchengemeinderatstag im November besprochen werden soll. „Als Gremium wollen wir überlegen, wie wir einen Beteiligungsprozess gestalten“, sagt sie. Auch die etwa 2000 Gläubigen sollen involviert werden. „Der Kirchengemeinderat will die Gemeinde repräsentieren, dazu muss man die Gemeinde hören.“ Kritik sei bereits angeklungen. Elisabeth Jooß schreckt das nicht. Sie betont, dass sie es als Chance begreift, sich theologisch mit der Frage zu befassen. Wo sie selbst steht, daraus macht sie keinen Hehl: Es sei längst an der Zeit, sich in Richtung Homosexualität zu öffnen. „Ha ja“, sagt sie. Man lebe schließlich in der Großstadt, und Interessenten gebe es durchaus.

Pfarrerin: Es sei an der Zeit, sich für Homosexualität zu öffnen

Auch der Heumadener Jörg Scheiring betont, keinen theologischen Grund zu sehen, Mann und Mann oder Frau und Frau nicht segnen zu können. Es gehe vielmehr um eine ethische Frage und darum, „dass die Kirche Menschen aufgrund ihrer Sexualität nicht ausgrenzen darf“. Auch in anderen Kirchengemeinden wird diese Meinung geteilt. Bislang haben beim Oberkirchenrat 144 Gemeinden den Prozess angeleiert, erklärt ein Sprecher, fertig durchlaufen haben das aufwendige Prozedere bislang 56 (Stand Juli). Die Kirchengemeinde Stuttgart-Sonnenberg etwa gehört dazu.

In Kaltental fand 2015 erste Segnung statt

Tatsächlich gab es hierzulande auch schon früher ein Schlupfloch für die Liebe. Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare fanden statt, allerdings nur im seelsorgerischen Kontext und nicht im Gottesdienst, also auch ohne Glockengeläut. Die Kirchengemeinden Vaihingen, Asemwald-Schönberg und Kaltental haben sich schon vor Jahren der kirchlichen Initiative Regenbogen angeschlossen, um Offenheit gegenüber homosexuellen Gemeindemitgliedern zu demonstrieren. In der Thomasgemeinde in Kaltental etwa fand bereit 2015 die erste Segnung statt. „Wir sehen das als ganz wichtiges Zeichen“, betont die Pfarrerin Mirja Küenzlen.

Den seit 2020 möglichen offiziellen Weg über den Oberkirchenrat sind sie und ihre Gemeinde noch nicht gegangen. Das Ganze sei so aufwendig, und immerhin habe man sich bereits eindeutig positioniert. Die Vaihinger haben den Prozess indes bereits angestoßen, um alsbald auch offiziell im Gottesdienst segnen zu dürfen, berichtet die Pfarrerin Miriam Hechler. Das Initiative-Regenbogen-Mitglied Asemwald-Schönberg wiederum gehört seit Anfang 2020 zur Verbundkirchengemeinde Plieningen-Birkach. Die bemüht sich aktuell ebenfalls um die Segnung Homosexueller. „Im Verfahren stecken wir drin“, erklärt die Pfarrerin Claudia Weyh, demnächst werde es um die Abstimmung im Kirchengemeinderat gehen. Sie betont: „Ich bin voller Hoffnung.“