Das spanische Parlament hat an diesem Freitagabend im zweiten Wahlgang über die Kandidatur Rajoys für das Amt des Ministerpräsidenten abgestimmt, und es war absehbar, dass er wie schon am Mittwoch nicht genügend Stimmen auf sich vereinen würde.

Korrespondenten: Martin Dahms (mda)

Madrid - Mariano Rajoy presst das Jesus-Kind an sich und hält ihm eine Pistole an den Kopf. „Setzt mich zum Regierungschef ein, oder ich mach dich zu Weihnachten kalt!“, droht er. „Ich bin sehr irre!“ So fasst die Satirezeitschrift „El Jueves“ in ihrer aktuellen Ausgabe die politische Lage Spaniens zusammen.

 

Das spanische Parlament hat an diesem Freitagabend im zweiten Wahlgang über die Kandidatur Rajoys für das Amt des Ministerpräsidenten abgestimmt, und es war absehbar, dass er wie schon am Mittwoch nicht genügend Stimmen auf sich vereinen würde. Jetzt hat das Parlament noch zwei Monate Zeit, sich auf einen neuen Regierungschef zu einigen. Falls es scheitert, stehen Wahlen an, die dritten innerhalb eines Jahres. Voraussichtlicher Termin: der 25. Dezember, Weihnachten.   Spaniens Politiker strapazieren die Geduld ihres Volkes.

Ziemlich fassungslos

Die Spanier sind ziemlich fassungslos, so etwas haben sie noch nicht erlebt. Und weil sie sich nicht den ganzen Tag darüber ärgern können, lachen sie. Nicht nur über Rajoy, ihren amtierenden konservativen Ministerpräsidenten, sondern auch über seinen Gegenspieler, den Sozialistenchef Pedro Sánchez, der seit Wochen zu allem nur Nein sagt. „Pedro Sánchez bricht zusammen und gibt zu, dass er ein Schauspieler ist“, titelte vor kurzem die satirische Netzzeitung „El Mundo Today“. Aus Puerto Rico stammend und mit Erfahrungen als Nebendarsteller in einer Telenovela, habe er sich bei einem Casting der spanischen Sozialisten beworben. „Ich hätte nie gedacht, dass die Dinge so laufen würden.“

  Die Satire kommt der Wirklichkeit sehr nahe: Aus Politikern sind in den vergangenen Monaten Politikdarsteller geworden, die handeln, als hätten ihre Handlungen keine Konsequenzen. Haben sie aber. Im August sind in Spanien 145 000 Jobs verloren gegangen, ein Indiz für die prekäre Lage auf dem Arbeitsmarkt: Statt in die Ferien schicken viele Unternehmer ihre Beschäftigten zum Arbeitsamt. Spanien braucht jetzt eine gute Politik, um den Aufschwung zu sichern und die sozialen Verwerfungen nach fünf Jahren schwerer Wirtschaftskrise abzumildern. Ganz nebenbei braucht das Land auch einen Haushalt für das kommende Jahr.

Sanierung der Finanzen

„Man kann nicht mehr ausgeben, als man einnimmt“, sagte Rajoy vor dem Parlament. Er selbst hat sich an diese Regel nicht gehalten. Die Sanierung der Staatsfinanzen ist eine der großen Herausforderungen für die kommende Regierung.   Dass Spanien noch immer keine Regierung hat, ist vor allem die Schuld von Rajoy und Sánchez. Sie haben allen Spott verdient, der zurzeit über sie ausgeschüttet wird.   Mariano Rajoy hätte schon vor dreieinhalb Jahren zurücktreten müssen, als die illegale Finanzierung seiner konservativen Volkspartei (PP) ans Licht kam.

Doch Rajoy hat nie einsehen wollen, dass seine vorgebliche Ahnungslosigkeit über die Machenschaften seines frühereren Schatzmeisters Luis Bárcenas, der ein Millionenvermögen in der Schweiz hortete, unglaubwürdig ist. Seine politischen Gegner jedenfalls glauben ihm nicht. Dass sie heute die Regierungsbildung blockieren, liegt auch an der Person Rajoy. Mit einem anderen Kandidaten oder einer Kandidatin hätte die PP bessere Chancen, die Unterstützung des Parlaments zu erhalten.

Böse Vorhaltungen

  Pedro Sánchez größter Fehler ist, das nicht laut zu sagen. In einer Fernsehdebatte nannte er Rajoy einst „unanständig“, aber mit bösen Anwürfen macht man keine Politik. Sánchez sagt Nein zu Rajoy und auch Nein zu einem alternativen Bündnis mit Podemos und den natioanalistischen Parteien aus Katalonien und dem Baskenland. Nur was er will, das sagt er nicht. Er könnte der PP Bedingungen stellen, um ihr durch Stimmenthaltung zur Regierung zu verhelfen, aber das geht Sánchez gegen die Prinzipien. Lieber lässt er das Land im Stich als seine Prinzipien. Das hat er mit Rajoy gemein.

http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.parlamentswahl-in-spanien-rajoy-will- mit-sozialisten-koalieren.37b35959-ead3-42da-820c-de042dbc3de3.html