In einer für sie kritischen Zeit einigen sich die Koalitionspartner von Union und SPD auf ein Migrationspaket, das am Freitag verabschiedet wird. Deutschland bekommt ein Einwanderungsgesetz und verschärft zugleich die Abschiebepraxis.

Berlin - Nach monatelangen Verhandlungen haben sich die Bundestagsfraktionen der Regierungskoalition auf die endgültigen Fassungen von acht neuen Gesetzen im Migrationsbereich verständigt. „Das straft all jene Lügen, die nur darauf schauen, was nicht gut läuft“, sagte Unionsfraktionsvize Hermann Gröhe am Dienstag. Wir stellen das Paket vor.

 

Einwanderungsgesetz

Seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten wird darüber diskutiert – jetzt ist es da: Deutschland bekommt zum 1. Januar 2020 ein Einwanderungsgesetz. Nicht zuletzt die SPD, die es im Koalitionsvertrag durchgesetzt hatte, verbindet damit die Hoffnung, dass Menschen, die Arbeit suchen, dies nicht mehr über den Weg eines Asylantrags versuchen – und somit die humanitäre und die Zuwanderung in den Arbeitsmarkt voneinander getrennt werden. CDU und CSU haben erreicht, dass Einwanderer über 45 Jahre eine Stelle vorweisen können müssen, bei der sie mindestens 3700 Euro brutto verdienen, oder alternativ eine angemessene Altersversorgung nachweisen. „Wir wollen Migration in den Arbeitsmarkt“, sagt Unionsfraktionsvize Thorsten Frei, „aber keine Migration in die sozialen Transfersysteme.“

Zentrale Neuerung ist, dass aus Nicht-EU-Staaten künftig nicht nur Hochqualifizierte und Menschen mit Berufen, bei denen Mangel herrscht, einwandern dürfen. Die Regelung wird generell auf Fachkräfte mit qualifizierter Berufsausbildung ausgedehnt – für IT-Spezialisten ist nicht einmal ein formaler Abschluss, sondern nur eine dreijährige Berufserfahrung nötig. Für einen Ausbildungsplatz reicht in Zukunft auch die Hochschulreife im Herkunftsland. Erstmals wird es möglich, ohne feste Jobzusage für sechs Monate nach Deutschland zu kommen, um eine Stelle zu suchen.

Geordnete-Rückkehr-Gesetz

Rund 235 000 Ausländer galten vergangenes Jahr in Deutschland als ausreisepflichtig – knapp 178 000 von ihnen werden aus humanitären Gründen geduldet. Somit versuchen die Behörden, gut 57 000 Menschen zur freiwilligen Rückkehr in ihre Heimat zu bewegen – oder abzuschieben. In 31 000 Fällen gelang das im vergangenen Jahr jedoch nicht, knapp 8000 mal scheiterten die Versuche am Tag der geplanten Rückführung – an diesen Punkten setzt das von Innenminister Horst Seehofer (CSU) vorgelegte Gesetz an.

Die rechtlichen Hürden für den sogenannten Ausreisegewahrsam werden damit deutlich gesenkt – Ausreisepflichtige können dadurch noch einfacher schon mehrere Tage vor Abflug in Haft genommen werden. Neu geschaffen wird eine „Mitwirkungshaft“ – sie soll verhindern, dass die betreffenden Personen nicht zu Anhörungen erscheinen, die zur Feststellung ihrer Identität dienen – eine Voraussetzung dafür, dass Länder ihren Staatsangehörigen überhaupt zurücknehmen. Wer die Klärung seiner Herkunft behindert, erhält zudem den neuen Status einer „Duldung für Personen mit ungeklärter Identität“, der Sanktionen wie ein Arbeitsverbot nach sich zieht. Im Vergleich zu Seehofers Entwurf wurde das Gesetz im parlamentarischen Verfahren noch dahingehend verschärft, dass die Polizei künftig „zur Suche nach Abzuschiebenden“ Wohnungen betreten und durchsuchen darf – in Baden-Württemberg und Bayern ist das schon jetzt der Fall.

Beschäftigungsduldung

Dieses Gesetz ist aus der Debatte über einen sogenannten „Spurwechsel“ entstanden. Künftig können eigentlich ausreisepflichtige, aber über eine Arbeitsstelle oder einen Ausbildungsplatz gut integrierte Ausländer die neue „Beschäftigungsduldung“ bekommen. Voraussetzung sind mindestens 18 Monate einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung und die selbstständige Sicherung des Lebensunterhalts – nach 30 Monaten kann daraus ein förmlicher Aufenthaltstitel werden. Diese Regelungen gelten jedoch nur rückwirkend für Menschen, die vor August 2018 eingereist sind. „Ich freue mich, dass mein Vorschlag einer Stichtagsregelung Eingang ins Gesetz gefunden hat“, sagte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz, „denn damit stellen wir sicher, dass nicht die Falschen abgeschoben werden und vermeiden zugleich Pull-Effekte für die Zukunft.“ Im Ausbildungsbereich wird die sogenannte 3+2-Regelung, die nach einer dreijährigen Lehre zwei Jahre im Job erlaubt, auf weitere Berufsfelder erweitert.

Beschäftigungsförderung

„Weitgehend unabhängig vom aufenthaltsrechtlichen Status“, wie es in einem Papier der Unionsfraktion heißt, kommen Ausländer künftig früher in den Genuss einer Ausbildungsförderung oder eines besseren Zugangs zu Integrationskursen und Sprachkursen. Auch hier ist mit dem 1. August diesen Jahres allerdings ein Stichtag eingeführt – es geht vorrangig um eine bessere Integration der bereits hier lebenden Personen. Wer nach Inkrafttreten des Gesetzes als Asylbewerber nach Deutschland kommt, für den ist weiterhin die gute Bleibeperspektive das Kriterium.

Asylbewerberleistungsgesetz

Gemäß den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Kriterien steigen die Geldleistungen für Asylbewerber geringfügig. Geschlossen wird zudem eine „Förderlücke“, die aus Sicht der stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden Katja Mast bisher dazu geführt hat, dass Asylbewerber Ausbildungen abbrechen mussten.

Datenaustausch

Das Ausländerzentralregister, die einzige Datenbank in Deutschland, in der zentral die Angaben eines bestimmten Personenkreises gespeichert sind, wird weiter ausgebaut. Die entsprechende AZR-Nummer soll laut dem Bundesinnenministerium künftig „von allen öffentlichen Stellen“ genutzt werden können – Minister Seehofer will damit erschweren, dass beispielsweise wie im Fall des Berliner Weihnachtsmarktattentäter Anis Amri mehrere Identitäten genutzt werden.

Integrationsgesetz

Eher eine Formalie stellt das Gesetz zur Entfristung des Integrationsgesetzes dar. 2016 wurden damit sowohl ein Recht auf Integrationsangebote wie auch eine Pflicht eingeführt, sich in die Gesellschaft einzubringen – und das vor Ort über eine sogenannte Wohnsitzauflage.

Staatsangehörigkeitsrecht

Künftig wird es möglich sein, dass Terrorkämpfern mit zwei Pässen die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen werden kann. Weil Grüne und Linke dazu noch eine Anhörung beantragt haben, ist dies das einzige Gesetz aus dem Migrationspaket, das noch nicht am Freitag, sondern erst in der nächsten Sitzungswoche des Bundestags verabschiedet wird.