Christian Atz will sich mit einem besonderen Produkt von der Massenproduktion abheben: Mit Kondomen für Heimatgefühle.

Lahr - Christian Atz war früher Leistungssportler. Die Leichtathletik war sein Steckenpferd, Mittelstrecke sein Metier – 800 und 1500 Meter. Von seiner damaligen Trainerin kam der Tipp, Jura zu studieren. In Tübingen schrieb er sich ein. „Es hat Spaß gemacht“, sagt der 34 Jahre alte, in Lahr ansässige Mann rückblickend. Das erste Staatsexamen hat er in der Tasche. Das zweite nicht. Kein Problem. Denn der junge Mann hatte schon immer das Ziel, Unternehmer zu werden.

 

Er wollte ein Start-up gründen. „Ein Jahr vor dem Examen habe ich angefangen, mir Geschäftsideen zu überlegen.“ So sei er in die Szene reingerutscht. Machte hier und da Praktika, arbeitete schließlich selbst bei einem Start-up und gründete im März 2015 das Unternehmen namens Heimatgummi. Es vermarktet das Massenprodukt Kondom.

Kondome mal nicht als Massenware

Das Besondere dabei: Christian Atz und sein Partner Jürgen Hübner wollten sich von Beginn an mit einem besonderen Produkt von der Menge der Hersteller abheben. Das ist ihnen auch gelungen, da sie auf individualisierte Verpackungen setzen, die von Künstlern gestaltet werden. Auf den Begriff Heimatgummi sei man über den Vater eines Freundes gekommen, erzählt Atz. „In Google gab es dazu keine Suchergebnisse.“ Schließlich kam man auf die Idee, eine Kondommarke im Schwarzwald aufzubauen. Der Begriff Heimat ist auch wichtig, weil bei der Gestaltung der Packungen auf regionale Künstler gesetzt wird. Aktuell gibt es zwei Serien – unter anderem eine, die den Schwarzwald zum Thema hat.

Die zweite befasst sich mit Rheinhessen. Aus dessen Landschaft stammt der inzwischen 75 Jahre alte Hübner, der früher als Designer und Messebauer tätig war. Er war bei der Gründung schon in Rente. Bei den Motiven inspirieren ließ man sich vom Künstler Stefan Strumbel aus Offenburg. In seinen Graffiti und Pop-Art-Werken macht er seine Verwurzelung im Schwarzwald immer wieder zum Thema, etwa in Form von überdimensionalen Tannenzapfen oder pinken Kuckucksuhren. Für den Künstler soll Heimat bunt sein. So wurden es dann auch die von Anne Deutsch aus Freiburg entworfenen Kondom-Verpackungen.

Frauen über 50 als beste Kundinnen

Wer kauft nun die Verhütungsmittel für den Mann, die ganz getreu dem Unternehmensnamen in der Heimat produziert werden – von Ritex mit Sitz in Bielefeld? Zuerst dachte Atz daran, dass junge Erwachsene, die den Schwarzwald besuchen, die Kondome kaufen. Doch das war ein Trugschluss. „Da haben wir uns getäuscht. Sie werden eher von Frauen gekauft und die sind oft 50 Jahre und älter“, sagt der 34-Jährige, der es spannend findet, Kondomen „ein neues Gesicht“ zu geben. Verkauft werden die Verhütungsmittel in Geschäften, die Design- oder Tourismusartikel anbieten. Es gebe neun Wiederverkäufer. Von den Einnahmen aus dem Start-up kann er nicht leben.

Es wurde einst mit 3000 Euro Startkapital gegründet. Dazu gab es noch die Leistungen aus einem Innovationsgutschein des Landes Baden-Württemberg. In der Herstellung seien die Kondome nicht teuer. Man könne deshalb ohne Weiteres ein paar Tausend Stück auf einen Schlag herstellen lassen. „Wir wollen zeigen, dass man Freude an einem Produkt haben kann“, sagt er und betont: Mit den für den alltäglichen Gebrauch bestimmten Kondomen möchte er auch gar nicht konkurrieren. Der Mehrwert von Heimatgummi besteht eher im Esprit und dem Unterhaltungswert und vielleicht in der Sammelfreude der Menschen. Denn die Kondome seien zunächst kein Produkt für große Stückzahlen.

Christian Atz war auch in der „Höhle der Löwen“

Atz ist ein besonderer Gründer. Denn er hat nicht nur Heimatgummi an den Start gebracht, sondern auch Mobile Garden – zusammen mit seiner Lebenspartnerin, der japanischen Designerin Akiko Takahashi. Beide haben in Anlehnung an die hängenden Gärten, die in Japan unter dem Namen Tsurishinobu bekannt sind, einen kleinen, tragbaren Blumentopf entworfen. Er ist in verschiedenen Farben erhältlich – einmal als fertiger Plastiktopf und einmal als Plastiktopf, den man selber zusammenbauen muss. Das geht aber ohne größere Probleme und jedermann kann es mit wenigen Handgriffen selber machen.

Mit diesem Start-up schaffte es das junge Unternehmen auch in die Fernsehshow „Höhle der Löwen“. Das war im Jahr 2015. „Das brachte uns sehr viel Publizität ein“, sagt Atz. Mit Jurymitglied Jochen Schweizer als möglicher Investor klappte es damals nur vor der Kamera. Er wollte mit einem Darlehen von 20 000 Euro eine Anschubfinanzierung leisten. „In den anschließenden Gesprächen, die nicht mehr mit Herrn Schweizer, sondern mit seinen Mitarbeitern stattfanden, wuchs der beidseitige Entschluss, von einer Zusammenarbeit abzusehen. Zu unterschiedlich waren die Auffassungen in manchen Punkten“, sagt Atz.

Mit dieser Geschäftsidee verdient der 34-Jährige aber inzwischen Geld. Der faltbare Blumentopf sei beispielsweise bei Unternehmen als Werbegeschenk begehrt. Der besondere Clou dabei: Das Produkt ist made in Germany und aus abbaubarem Plastik. Also auch wieder eng an den Begriff Heimat angelehnt.

Gründertipps von Christian Atz

An welchem Ort kommen Ihnen die besten Ideen?

Zu Hause (im Bett, beim Geschirrspülen,unter der Dusche).

Wie wappnet man sich gegen den Schock, wenn die tolle Idee mit der bitteren Realität konfrontiert wird?

Gar nicht. Sich wappnen würde die Energie und die Begeisterung für die Idee reduzieren.

Aus welchem Scheitern haben Sie das meiste gelernt?

Nicht mit dem „Freischuss“, das 1. juristische Staatsexamen abzuschließen.

Was ist der größte Irrtum, wenn es darum geht, kreativ sein zu wollen?

Schwierig. Laut Leonard Cohen kommt die Poesie von einem Ort, den niemand befiehlt und niemand erobert. Ich denke, bei der Kreativität ist es genauso. Einblick in diesen Ort bekommt man meines Erachtens am besten, indem man Zeit und Geld in prägende Erlebnisse und nicht, wie oftmals angenommen, in Kreativitätsratgeber & Co. investiert.

Wann haben Sie selbst mal zu jemandem „Das geht nicht!“ gesagt?

Als jemand meine Tochter ungefragt gefilmt hat. Ich kann mich nicht erinnern, das im geschäftlichen Kontext zu jemandem gesagt zu haben.

Welcher Erfinder der Geschichte wären Sie gern gewesen?

Wenn es ausschließlich um die Erfindung geht, dann hätte ich gerne das Karaoke erfunden. Danke hierfür, Daisuke Inoue.