Christian Petzold gehört zu den großen Autorenfilmern in Deutschland. Warum er das Etikett „politischer Film“ nicht mag, weshalb ihn Achterbahnen so faszinieren und wie er die Rolle der Kinos in den Städten sieht.

Berlin - Wenn Christian Petzold einen neuen Film herausbringt, dann wird das auch in US-Medien wie der „New York Times“ oder im britischen „Guardian“ kommentiert. Der Berliner gehört zu den bekanntesten deutschen Regisseuren und überschreitet mit seinen Filmen oft die Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit. Am Montag (14. September) wird er 60 Jahre alt.

 

Im Gespräch wirkt Petzold ziemlich bodenständig. Man erreicht ihn unkompliziert per E-Mail. Am Telefon erzählt er von seinen nächsten Plänen. Dreharbeiten sind wegen der Pandemie gerade nicht so einfach. Petzold will die Zeit mit Vorbereitungen verbringen und voraussichtlich im Spätsommer 2021 wieder drehen.

„Ich drehe erst wieder, wenn man halbwegs anständig miteinander arbeiten kann“, sagt er der Deutschen Presse-Agentur. Sein neuer Film soll sich mit dem Element Feuer auseinandersetzen. Geplant ist eine Liebesgeschichte während Waldbränden in Mecklenburg-Vorpommern.

Vielleicht spielen Franz Rogowski und Paula Beer wieder mit. Das könnte sich Petzold jedenfalls gut vorstellen. Mit ihnen hat er bereits das Fluchtdrama „Transit“ gedreht. Und auch in seinem letzten Film „Undine“ spielen sie die Hauptrollen - der Film holt einen Nixenmythos der deutschen Romantik in die Gegenwart. Man sieht darin unwirkliche Szenen. Etwa wenn die beiden vor einem Aquarium stehen, das plötzlich zerplatzt. Oder beim Tauchen auf einen riesengroßen Wels treffen. Es sind Filme, die wie auf dem Reißbrett konstruiert sind und stellenweise ins Unwirkliche abdriften. Manchmal spröde, manchmal zauberhaft, stets klug.

Petzold arbeitet öfter mit denselben Darstellerinnen. Julia Hummer spielte in „Die innere Sicherheit“ und „Gespenster“ mit. Dann kam Nina Hoss. Mit Locken und Bluse wurde sie zum Gesicht vieler Petzold-Filme. In „Barbara“ etwa spielte sie eine Ärztin in der DDR. In „Yella“, dem letzten Teil der sogenannten „Gespenster“-Trilogie, eine Buchhalterin mit Vergangenheit.

Petzold schreibt auch die Drehbücher zu seinen Filmen

Als Autorenfilmer führt Petzold nicht nur Regie, sondern schreibt auch die Drehbücher. Er gilt als einer der bekanntesten Vertreter der „Berliner Schule“, die in den 1990ern entstand. Petzold beschäftigt sich zum Beispiel mit dem Zusammenhang von Kapitalismus und Liebe. Dass manche seinen letzten Film „Undine“ vergleichsweise wenig politisch fanden, scheint Petzold wenig zu interessieren.

„Ich glaube, wir leiden unter dem Wunsch, politische Filme zu machen“, sagt er. Der Wunsch heiße immer, dass der politische Satz schon vor dem Film da sei „und dass der Film dieses politische Thema einfach in Bilder übersetzt. Das kann ich nicht ertragen.“ Für ihn sei eine Liebesgeschichte oder eine Angst-Geschichte bei Hitchcock auch politisch. „Und deshalb mache ich mir darüber gar keine Gedanken.“

„Wenn man in Deutschland Filme macht, kann man machen, was man will: Man stellt irgendwo die Kamera auf, dann wird es sofort politisch. Und diese Politik, mit der muss man umgehen“, sagt Petzold, der in Hilden bei Düsseldorf geboren wurde. Aber wenn man das Politische erzwinge und dann vielleicht noch dieselben filmischen Mittel wie im amerikanischen Film nutze, „dann langweilt mich das zu Tode“.

Zurzeit sitzt Petzold in der Jury des Filmfestivals von Venedig

Manche Zuschauer können mit Petzolds Filmen wenig anfangen. Seine Fans dagegen freuen sich oft Monate vorher auf den nächsten Kinostart. Mit der Regie für „Barbara“ gewann er einen Silbernen Bären der Berlinale. Öfter hat er „Polizeiruf“-Krimis fürs Fernsehen gedreht. Und das Filmfestival in Venedig berief ihn dieses Jahr in die Jury.

An die Politik hat der Regisseur gerade appelliert, die Kinos in Deutschland stärker zu unterstützen. Auch Restaurants und Clubs erlebten wegen der Pandemie schwere Zeiten. Die Theater und Opern bekämen große Unterstützung von der Politik, auch für den Erhalt ihrer Gebäude. Kinohäuser sollten ebenfalls regelmäßig gefördert werden sollten, weil sie zur Stadt gehörten und „weil sie der Verödung und Verelendung unserer Großstädte etwas entgegensetzen“.

An seinem Geburtstag hat Petzold üblicherweise ein Ritual. Er geht mit seiner Familie auf den Rummelplatz. Und sucht nach der richtigen Achterbahn. Einer mit freiem Fall. Über seine Faszination für Achterbahnen habe er mal einen Aufsatz schreiben wollen. Er vermisse die alten Achterbahnen. „Früher fuhr man einfach hoch und fiel“, sagte Petzold. „Und dieses Fallen, das suche ich immer noch.“