Der russische Regisseur Kirill Serebrennikow hat unter Hausarrest auch für die Stuttgarter Oper inszeniert. Nun hat er am Deutschen Theater in Berlin „Decamerone“ nach Boccaccio auf die Bühne gebracht – allerdings auch aus der Distanz.

Berlin - Eigentlich sind die Geschichten aus dem 14. Jahrhundert, aber am Deutschen Theater wirken sie wie eine TV-Serie von heute: Der russische Regisseur Kirill Serebrennikow hat in Berlin das Stück „Decamerone“ inszeniert. Wegen eines umstrittenen Prozesses konnte er aber nicht selbst anreisen, wie das Theater erklärte. Stattdessen wurde teilweise in Moskau geprobt.

 

Die zehn Geschichten, die er auf der Bühne erzählt, sind angelehnt an den italienischen Schriftsteller Giovanni Boccaccio. Der schilderte, wie Menschen vor der Pest aus der Stadt fliehen und sich Geschichten erzählen. Serebrennikow, der auch Opern und Filme macht, lässt die Figuren in einem Gymnastikraum zusammenkommen.

Liebe im Gymnastikraum

Zwischen Sitzbällen und Sprossenwand geht es um Liebe und Verlangen, Optimierung und Influencer, Vergänglichkeit und Tod. Auf der Bühne geht es körperlich und nackt, wild und feinfühlig zu. Die Schauspieler sprechen teils russisch und teils deutsch, manchmal huschen sie mit Mundschutz über die Bühne.

Serebrennikow ist in Russland wegen Betrugs angeklagt. Nach einer Festnahme 2017 stand er rund anderthalb Jahr unter Hausarrest. Die Ermittler werfen ihm und Mitarbeitern seiner Produktionsfirma vor, staatliche Fördergelder in Millionenhöhe unterschlagen zu haben. Sie konnten die Vorwürfe, die Serebrennikow abstreitet, bislang aber nicht ausreichend belegen. Bei der Premiere von „Decamerone“ am Sonntagabend erinnerten Schauspieler mit T-Shirts an ihn.

Die Staatsoper Stuttgart brachte 2017 die Märchenoper „Hänsel und Gretel“ auf die Bühne – auch wenn Serebrennikow seine Inszenierung wegen des Hausarrests nicht fertigstellen konnte.