Sein Film mit Bruno Ganz erzählt vom Ende der DDR - im Interview spricht Regisseur Matti Geschonneck über die Parallelen, die er zur Gegenwart zieht.

Berlin -

 
Herr Geschonneck, Sie sind in der DDR geboren, gingen aber Ende der 1970er Jahre in die Bundesrepublik. Wie haben Sie dann die Wende erlebt?
Ich war hier bei meinem Stiefvater in Berlin. Das war aber reiner Zufall. Keiner hat damals gewusst, dass es passiert, aber dass etwas passiert, haben alle geahnt. Die Ereignisse kamen dann für alle überraschend. Ich habe es (Anm.: von der Öffnung der Grenzen) schon in der Nacht gehört.
Was ging damals in Ihnen vor?
Das war ein unwirklicher, sich überschlagender Vorgang, mit dem kein Mensch gerechnet hat. Es arbeitete ja in allen Köpfen in Ost und West. Wie verhält man sich, wenn man mit Unfassbarem konfrontiert wird? Da kommt nicht nur Freude auf, sondern gleichzeitig auch Ängste. Ist das wirklich wahr? Wie verhalten sich die bewaffneten Garden? Wie verhalten sich die Russen? Das war ja, glaube ich, das Mitentscheidende: dass sich die Sowjetunion militärisch zurückgehalten hat. Sonst hätte das vielleicht nach ein, zwei Tagen beendet werden können.
Der letzte Satz im Film – nach der Wende – ist eine Frage: „Haben wir alles verdorben?“ Was meinen Sie: Erklärt das das Ende der DDR?
Es gibt Zyklen, die sich in der Geschichte der Menschheit immer wiederholen. Ich habe bei diesem Satz natürlich an die DDR gedacht, an das System und die gescheiterte Utopie des Kommunismus. Die Aussage bezieht sich aber nicht nur auf das Scheitern der DDR. Ich glaube, dass diese Geschichte wiederholbar ist. Wir wissen allerdings nicht wann, und wir wissen nicht wie.
Welche Parallelen sehen Sie zu heute?

Wir befinden uns gerade in einer Zeit, in der niemand weiß, wie und ob es so weitergeht. Ich will nicht sagen, dass wir am Ende einer Epoche oder in einem gesellschaftlichen Umbruch sind, aber wir spüren deutlich die Anzeichen. Es wird nicht so bleiben, wie es war. Wir alle sind überrascht, obwohl wir alle wussten, dass es passiert. Das Interessante an den Menschen ist ja, dass wir es auf uns zukommen lassen.

ZUR PERSON: Matti Geschonneck wurde 1952 im brandenburgischen Potsdam geboren und wuchs in der DDR auf. Ende der 1970er Jahre ging er in die Bundesrepublik. Geschonneck drehte mehrere Folgen der Krimiserie „Tatort“ und führte bei zahlreichen Filmen fürs Kino und Fernsehen Regie. Dazu gehört auch die Komödie „Boxhagener Platz“, die vom Ostberlin der 60er Jahre erzählt. Er gewann mehrere TV-Preise, darunter die Goldene Kamera und den Adolf-Grimme-Preis.