Traditionell wird an diesem Freitag der längste Tag des Jahres bei Reichenbach im Täle standesgemäß verabschiedet. Eine solche Veranstaltung vorzubereiten, ist aufwendig – und wird durch Störenfriede zusätzlich erschwert

Region: Andreas Pflüger (eas)

Deggingen - In Adelberg und Kuchen wurde der kalendarische Sommeranfang – gewissermaßen in froher Erwartung – bereits vor Wochenfrist begrüßt. An diesem Freitag allerdings stimmt der Termin auf den Punkt. Es ist Sonnenwende: der längste Tag und – folgerichtig – die kürzeste Nacht des Jahres. Aus diesem Grund wird am Hexensattel, zwischen Reichenbach im Täle und Unterböhringen gelegen, mit Einbruch der Dämmerung wieder ein großes Sonnwendfeuer entzündet. Das Fest an sich beginnt bereits gegen 20 Uhr.

 

Dass der sogenannte Sonnenstillstand mit lodernden Flammen gefeiert wird, hat eine lange Tradition und reicht mindestens bis ins 15. Jahrhundert zurück. Seinerzeit wurde den Wendepunkten im Jahreslauf eine mythische Bedeutung zugesprochen. So sollten durch den Feuerschein und den Lärm der Besucher böse Geister vertrieben werden, damit etwa die Ernte großzügig ausfallen möge. Um die bösen Geister sorgt man sich heutzutage bei der Reichenbacher Dorfjugend, die das Fest ausrichtet, nicht mehr. Um böse Zeitgenossen aber sehr wohl.

Ermittlungen wegen Sachbeschädigung durch Brandlegung

Aus gutem Grund, wie sich vor zwei Jahren im Täle selbst und erst vor zwei Wochen im nicht allzu weit entfernten Kuchen gezeigt hat. Beide Male hatten sich Unbekannte einen mehr als schlechten Scherz erlaubt und die mühsam aufgeschichteten Holzstapel bereits einige Tage vor der geplanten Sonnwendfeier entzündet. Im Reichenbacher Fall wurden die Ermittlungen längst eingestellt.

Bei der Kuchener Jugendfeuerwehr, die als Veranstalter auftrat und durch tatkräftige Hilfe und Holzspenden ihr Fest doch noch durchziehen konnte, hofft man darauf, dass die Zündler gefasst werden. Allzu großen Optimismus strahlt die Polizei, die wegen Sachbeschädigung durch Brandlegung und wegen Hausfriedensbruch ermittelt, aber nicht aus: „Da müsste sich schon jemand verplappern oder der Zufall helfen“, erklärt ein Sprecher der Polizeidirektion Ulm.

Das Aufrichten ist reine Hand-, Fuß- und Kletterarbeit

In Reichenbach im Täle überlässt man seit den Vorkommnissen von 2017 indes nichts mehr dem Zufall. Mit Argusaugen hütet die Dorfjugend ihre stetig wachsende Holzpyramide, die letztlich 15 Meter hoch und am Sockel fast genauso breit sein wird. Der Aufwand, durch das Wacheschieben mit jeweils zwei bis drei Leuten, ist nochmals ein Stück größer geworden, als es das Aufschichten schon immer war. Dennoch soll das Ereignis, das seit den 1960er-Jahren in steter Regelmäßigkeit stattfindet, nicht drangegeben werden.

Darin sind sich die rund zwei Dutzend Helferinnen und Helfer um die Hauptorganisatoren Julian Drexler und Patrick Maier einig. Seit Anfang Mai klotzen die jungen Leute ran. Unmengen an Holz mussten gesammelt, geschlagen und herangeschafft werden. Wie viele Tonnen insgesamt zum Hexensattel transportiert werden mussten, die es dort dann in reiner Hand-, Fuß- und Kletterarbeit aufzurichten galt, kann nicht einmal Felix Rohner sagen, der bei der Dorfjugend für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist.

Veranstalter sind auf private Waldbesitzer angewiesen

„Man spricht ja immer von einem Haufen Holz. Das stimmt in jedem Fall“, sagt er und bedankt sich ausdrücklich bei den privaten Waldbesitzern, die ihren Forst zum Ausputzen freigegeben hätten. „Ohne diese Angebote könnten wir das Spektakel auf keinen Fall in dieser Größe stattfinden lassen“, betont Rohner, der immer wieder hört, dass das Reichenbacher Sonnwendfeuer eines der größten im Land überhaupt sei. „Damit das so bleibt, darf sich jeder bei uns melden, der seinen Nadelwald lichten oder kranke Bäume daraus entfernen lassen will“, blickt er bereits in die etwas fernere Zukunft.

Erst einmal will die Dorfjugend aber die Sommersonnwende 2019, deren Erlös zum Großteil wieder an gemeinnützige Organisationen und Vereine gespendet wird, mit möglichst vielen Gästen feiern. Diese können das Festgelände von beiden Orten oder vom Wanderparkplatz Hexensattel aus erreichen. Und wer es am Freitagabend gar nicht einrichten kann oder am Samstag Lust auf ein weiteres Spektakel im kleineren Rahmen hat. Von 18 Uhr an bittet die Wäschenbeurener Feuerwehr zu ihrer Sonnwend-Nachfeier – selbstverständlich mit einem Sonnwendfeuer.