Die Kommune feiert ihre erste urkundliche Erwähnung vor 750 Jahren mit zahlreichen Veranstaltungen. Ein neues Geschichtsbuch soll in Auftrag gegeben werden.

Reichenbach - Manches ist bis heute gleich geblieben. Zum Beispiel, dass gerichtliche Auseinandersetzungen jede Menge Papierkram verursachen. Vor 750 Jahren waren es die Witwe Agnes von Rieth und ihre Söhne Ludwig und Ulrich, die sich mit der Schwester Mia von Faurndau um einen halben Hof in Bodelshofen bei Kirchheim und um die Erträge des Gutes stritten. Die Damen haben sich geeinigt, wie der Esslinger Kreisarchivar Manfred Waßner weiß. Agnes, die den Hof mit ihren Söhnen bewirtschaftete, sollte entweder jährlich fünf Scheffel Weizenmehl und sieben Scheffel Hafer an Mia abgeben, oder sie mit 30 Heller auszahlen. In der Schlichtungsurkunde aus dem Jahr 1268 ist ein Pfarrer aus Reichenbach mit dem Namen Marquard als Leutpfarrer genannt – dieses Dokument gilt bis heute als das älteste schriftliche Zeugnis von der Existenz der Kommune im Filstal.

 

Klar ist aber auch, dass die Siedlungsgeschichte nicht erst im Spätmittelalter begann. „Uns gibt es schon viel länger“, betont der Reichenbacher Bürgermeister Bernhard Richter. Bereits in vorchristlicher Zeit sei auf der heutigen Gemarkung gesiedelt worden. Doch die erste urkundliche Erwähnung Reichenbachs stamme eben aus dem Jahr 1268. Seitdem sei das Dorf immer wieder Ziel von Angriffen gewesen. „Wir sind oft überfallen und geplündert worden. Die Geschichte war teilweise sehr qualvoll für viele Reichenbacher“, erklärt der Schultes beim Blick in die Vergangenheit. Im Dreißigjährigen Krieg seien Truppen durch das Filstal gezogen. Unter Napoleon hätten Franzosen den Ort verwüstet. Noch heute zeugt die Bezeichnung Franzosenklinge für einen Weg im Schurwald von der Geschichte. Über diesen Weg sollen die Soldaten einst gekommen sein. „Und die haben keinen Champagner mitgebracht“, weiß Richter. Heute freue man sich aber stets über Besuch aus der französischen Partnerstadt Sainte-Savine, versichert er.

Das Garn wurde beim Einfädeln mit den Lippen befeuchtet

Merklich besser ging es vielen Menschen in der Gemeinde erst, nachdem die Eisenbahn ins Filstal kam. Das war im Jahr 1847. „Von da an war Mobilität gegeben“, so der Bürgermeister. Die Industrialisierung kam vor allem mit der Textilindustrie, die die Wasserkraft nutzte. Noch heute würden die Reichenbacher auch „Haarschlotzer“ genannt, weil sie einst beim Einfädeln des Garns dieses mit ihren Lippen befeuchteten. Der Bergbau und der Weinbau waren zu dieser Zeit aber bereits Geschichte. Lediglich der Musikverein mit dem Namen „Glück auf“ erinnert heute noch an die Bergbauvergangenheit Reichenbachs. Dem Wein machte die Reblaus um 1800 den Gar aus. Wirklich traurig waren darüber aber offenbar nur wenige Menschen. „Der Wein soll nicht so super gewesen sein“, so Richters zurückhaltende Einschätzung.

Im 750. Jahr nach der ersten urkundlichen Erwähnung soll nun ein neues historisches Gemeindebuch in Auftrag gegeben werden. Das Esslinger Kreisarchiv hat der rund 8300 Einwohner zählenden Kommune bereits entsprechendes ein Angebot gemacht, über das noch in diesem Jahr entschieden werden soll. Das bis dato letzte Buch zur Ortsgeschichte, das „Heimatbuch Reichenbach“ von Wilhelm Böhringer, stammt aus dem Jahr 1968 – damals wurde die 700-Jahr-Feier begangen.

Die Feste anlässlich des Jubiläums beginnen am Freitag, 23. Februar, um 19 Uhr in der Brühlhalle. An diesem Abend soll ein launiges Schauspiel mit Szenen der Ortsgeschichte das Publikum unterhalten. „Nicht professionell, aber mit Niveau“, wie Richter ankündigt. Er selbst wird auch auf der Bühne stehen. Durch den Abend werde die aus Reichenbach stammende Fernsehmoderatorin Julia Bauer führen.

Der Höhepunkt der Festivitäten wird das Wochenende vom 20. bis zum 22. Juli sein. Dann soll die Innenstadt vom Brunnenplatz bis zum Rathaus zu einer Festmeile werden. Unter anderem sollen am Samstag Mannschaften bei einem „Playday“ in unterschiedlichen Spielen gegeneinander antreten. Darüber hinaus sind rund zwanzig weitere Veranstaltungen von einem offenen Singen unter dem Motto „Eine musikalische Reise durch 750 Jahre“ mit dem Schwäbischen Albverein bis zu einer Zeitreise ins Mittelalter mit dem TV Reichenbach geplant.

Ein Kreativ-Team organisiert das Festprogramm

Für die Organisation und Koordination der vielen Veranstaltungen wurde eigens ein Kreativ-Team aus Ehrenamtlichen und einer geringfügig beschäftigten Arbeitskraft gebildet, die eng mit dem Hauptamt des Rathauses zusammenarbeiten. Alleine hätte die Verwaltung die vielen Aufgaben kaum stemmen können, betont Bernhard Richter. Schließlich stünden im gerade begonnenen Jahr zahlreiche Mammutaufgaben an. Dazu zählt der Schultes den Bau eines Hochwasserschutzdamms, die Schulentwicklung und die Sanierung des Zentrums Nord. „Aber 750 Jahre, das hat man auch nicht jedes Jahr“, freut er sich.