Der Maler Reinhold Goos aus Gerlingen hat in seinen Zeichnungen und Bildern über Jahrzehnte hinweg vor allem die Entwicklung der Stadt sowie die Natur des Umlands festgehalten. Zu seinem 100. Geburtstag gibt es jetzt eine Ausstellung.

Er habe nicht viel benötigt, habe sich selbst genügt, sagt Marie-Luise Goos. Still sei er gewesen und bescheiden. Und „Er liebte es nicht, im Mittelpunkt zu sein.“ Mit diesen Worten beschreibt die Nichte ihren Onkel Reinhold Goos. Er war derjenige, der beobachtete. Der präsent war, aber nicht dominieren wollte. Der Maler aus Gerlingen hat in seinen Bildern Ansichten aus Gerlingen hinterlassen, die längst Geschichte sind: der Heuwagen mitten auf der Hauptstraße, die Fachwerkhäuser auf dem Träubleareal. Dazu immer wieder der Blick in die Natur, aufs Feld: „Sommerblumen“ heißt etwa ein mittelformatiges Bild aus dem Jahr 1985, „Baum in Landschaft“ ein Aquarell aus dem Jahr 1946, „Mohnfeld im Sommer“ ein anderes aus demselben Jahr.

 

Ein mehrdeutiger Ausstellungstitel

Reinhold Goos, der Maler, wäre in wenigen Tagen, am 2. März, hundert Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass hat ihm die Stadt Gerlingen eine Ausstellung im Rathaus gewidmet. Sie wird an diesem Sonntag eröffnet. „Lebenswerke“ lautet der Titel der Schau. Der ist bei näherer Betrachtend so treffend wie doppeldeutig gewählt. Die Vielzahl der Aquarelle, Mischtechniken und Zeichnungen, welche die Entwicklung des Künstlers aufzeigen, sind das eine. Doch durch die rund 50 Werke vermittelt Goos eine Art zu leben: entschleunigt, unaufgeregt, in der Natur, das Detail achtend.

Der Mensch spielt dabei eine untergeordnete Rolle – zumindest in seinen Aquarellen. Nicht so in den Zeichnungen. „Pause bei der Feldarbeit“ etwa heißt eine Arbeit aus dem Jahr 1941. Mit Bleistift, Tusche und etwas Aquarell hält Goos mit scheinbar mühelosem, leichten Strich die zwischen anstrengender Arbeit für einen Moment innehaltende Frau auf dem Papier fest.

Goos sei viel in der Natur unterwegs gewesen, sagt die Nichte. Manchmal habe sie ihn begleitet; dann fuhren sie im Opel Kadett in die nähere Umgebung, nach Höfingen, Heimerdingen, zum Bärensee oder noch weiter. „Zwischen Mönsheim und Serres“, lautet der Titel eines Aquarells aus dem Jahr 1968. In ihm transportiert Goos die Weite der Landschaft. Natur soweit das Auge reicht. Nicht im Kitsch verklärt, vielmehr in sich ruhend.

Nach der Kriegsgefangenschaft wird er Konzertpianist

Goos’ Blick wird mit den Jahren offener, vielleicht auch freier. Nach dem Studium an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart ist er im Krieg, gerät wenig später in Kriegsgefangenschaft. Im Jahr 1946 kehrt er zurück, lebt als freischaffender Künstler wieder in Gerlingen, ehe er ein Jahr später ebenfalls in Stuttgart eine Ausbildung zum Konzertpianisten anschließt. Konzerte im großen Kreis, in der Öffentlich gar, habe er aber nicht gegeben, sagt Marie-Luise Goos.

Wenn, dann spielte er im vertrauten Kreis von Freunden und Verwandten. In solchen Runden habe er, der sich sonst eher ruhig zurückhielt, sich auch anderen gegenüber geöffnet, ließ sie teilhaben an seiner Welt und seinem Wissen an Musik, Malerei und Literatur. Ob Goethe, Schiller – oder etwa Wilhelm Busch. Er habe sich nicht zwingen lassen zu etwas, sagt seine Nichte. Und schon die Aufforderungen der Mutter waren bisweilen wohl schon zuviel für ihn – er, der das Freisein liebte – und deshalb doch lieber in die Natur gezogen wäre, als zu tun, was andere ihm auferlegten. Gleichwohl: auf seinem Schreibtisch herrschte präzise Ordnung – seinen Arbeitsplatz, sein Reich, teilte er mit keinen anderen.

Reinhold Goos lebte von seiner Kunst

Reinhold Goos lebte zeitlebens von seiner Kunst. Er verkaufte seine Bilder, gestaltete kaligrafisch, was ein örtliches Restaurant beauftragte. Was er verdiente, genügte ihm, zumal er im Haus bei der Mutter lebte. Das habe ihm vielleicht manches erleichtert, sagt Goos. Aber entscheidend war das für seine Lebensgestaltung dann auch wieder nicht: „Er war ein Lebenskünstler“, sagt seine Nichte. Ein Künstler durch und durch, der gerne schwieg – und laut lachte. Der mit Humor seine Umgebung betrachtete, auf Papier in Tusche, Bleistift und Aquarell festhielt – und dabei immer auch transportierte was Gerlingen für ihn war: ein Ort in dieser weiten Welt, an dem er zuhause war. Reinhold Goos starb 1998. Auf dem Stadtfriedhof liegt er begraben.

Ausstellung Die Arbeiten von Reinhold Goos sind unter dem Titel „Lebenswerke“ von diesem Sonntag, 26. Februar, an im Gerlinger Rathaus zu sehen. Die Vernissage ist um 11.15 Uhr. Die Ausstellung läuft bis 31. April. Geöffnet ist sie werktags von 8 bis 12 Uhr sowie dienstags zusätzlich von 14 bis 18.30 Uhr.