Der Schweizer Steve Guerdat will Reitturnier in Stuttgart glänzen. An manch anderem Ort geht der Olympiasieger dagegen gar nicht mehr an den Start. Und das hat Gründe.

Stuttgart - Steve Guerdat nimmt kein Blatt vor den Mund: „Hier in der Schleyerhalle gibt es meiner Ansicht nach das zweitbeste Hallenturnier der Welt, meine Nummer eins ist unser Hallenmeeting in Genf.“ Die Begründung des 36-jährigen Eidgenossen: „Die Größe der Arena mit ihren 70 auf 35 Metern kommt unseren Pferden sehr entgegen, vor allem den jüngeren, die noch nicht so viel Erfahrung haben. Außerdem spürt man hier beim German Master, dass die Macher Pferdeleute sind, die genau wissen, was zu tun ist.“

 

In der Schweiz, seiner Heimat, galt der gertenschlanke Profireiter lange Zeit als schwierig, als Enfant terrible. Schüchtern und eher introvertiert bestritt er seinen Sport, bildete mit großem Geschick junge Talente aus, glänzte als Nachwuchstalent im internationalen Parcours. Manch einer hielt ihn gar für arrogant. Doch dann kam der August 2012. Im weltbekannten Londoner Park zu Greenwich, unmittelbar unterhalb der legendären Sternwarte, gewann er auf Nino überraschend die Goldmedaille im olympischen Parcours: „Der Erfolg hat mich damals überwältigt, das war großartig. Aber persönlich hat es mich nicht verändert, ich bin der Gleiche geblieben, der ich vorher war.“ Wie sich das äußert?

Das steckt hinter den wichtigsten Begriffen aus der Welt des Reitsports

Die Antwort klingt erstaunlich: „Wenn man genau hinschaut, dann bin ich doch sehr privilegiert. Ich übe einen Traumberuf aus, habe den größten Spaß, ja eine Leidenschaft, meine jungen Pferde auszubilden. Ich liebe die Natur, freue mich jedes mal, wenn ich von den Turnieren nach Elgg komme, wo ich zuhause bin.“ Ob mit Trophäen und einem Haufen Preisgeld oder mit leeren Händen – jeden Montag in der Frühe gehe die Arbeit mit den Pferden weiter.

Klare Worte zu bestimmten Themen

Ja, gesteht der bescheidene Topreiter, der zuletzt Bronze gewann mit seinem Pferd Bianca bei den Weltmeisterschaften in den USA, er liebe es durchaus, im Rampenlicht zu stehen, vor großer Kulisse zu glänzen wie etwa vor einem Jahr, als er vor ausverkauftem Haus den Großen Preis von Stuttgart gewinnen konnte. Genau das werde er am Sonntag wieder versuchen, aber: „Wenn es mal nicht so gut läuft, was natürlich auch mir passiert, dann bin ich trotzdem nicht frustriert. Zuhause hab’ ich meine Familie, meine Freunde und, wie gesagt, meine Arbeit mit den Pferden. Das füllt mich vollkommen aus. Nie und nimmer könnte ich mir vorstellen, einen Bürojob zu machen. Ich wollte von Anfang an reiten, sonst nix.“

Wer freilich glaubt, hinter derlei persönlichen Bekenntnissen stecke die eidgenössische Sehnsucht nach der heilen Welt, der täuscht sich gewaltig. Steve Guerdat ist einer der ganz wenigen Spitzenjockeys im weltweiten Zirkus der Springreiterei, die öffentlich klar Stellung nehmen: „Ich mag die Global Champions Tour, bei der die Preisgelder in die Millionen gehen, überhaupt nicht! Wenn du dort ständig mitreiten willst, sind die Pferde früher oder später am Ende ihrer Kräfte. Außerdem bin ich kein Typ für die exklusiven Vip-Bereiche.“

Kein Start mehr in Monaco

Deutliche Worte, die Steve Guerdat vor Jahren erstmals äußerte: „Ich reite niemals wieder in Monaco, wo die Leute nur im Vip-Bereich sitzen, sich für uns und unsere Pferde aber gar nicht interessieren.“ Seit dieser Zeit, gesteht der kritische Reiterstar, werde er von Jan Tops, dem Macher der Globel Champions Tour, nicht mehr gegrüßt. Sein Blick signalisliert, dass er damit gut leben kann. Denn auch ohne die lukrative Tour, ist Steve Guerdat die Nummer zwei der Weltrangliste.