Bei Firmenübernahmen ist Deutschland für China erste Wahl in Europa. Von den Ländern aus Übersee investieren nur die USA noch mehr in deutsche Unternehmen. Doch stärkere Kontrollen bremsen das Tempo der Transaktionen.

Geld/Arbeit: Daniel Gräfe (dag)

Stuttgart - Ob die Bosch-Tochter Starter Motors oder der Plasmaprotein-Anbieter Biotest: Deutsche Unternehmen standen für Käufer aus China im vergangenen Jahr hoch im Kurs. Die Investoren aus Fernost überwiesen umgerechnet 11,2 Milliarden Euro – knapp eine Milliarde mehr als 2016. Damit erreichte der Wert der Investitionen ein neues Rekordniveau. Das geht aus einer Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY hervor, die die Transaktionen chinesischer Unternehmen in Deutschland und Europa untersuchte.

 

Chinesische Firmen investierten vor allem in Deutschland. 54 der 247 Käufe und damit fast jede fünfte Transaktion wurde hierzulande getätigt. Großbritannien und Italien folgten mit 44 bzw. 24 Übernahmen auf den Plätzen 2 und 3. Die Gesamtzahl der Käufe ging allerdings in Deutschland wie auch europaweit um rund ein Fünftel zurück. Im europäischen Schnitt fiel der Wert der Investitionen gar um rund ein Drittel auf insgesamt 57,6 Milliarden Euro.

Strengere Kontrollen

Ein Grund: Die Politik mischt sich stärker ein. „Die chinesischen Aufsichtsbehörden haben strengere Kontrollen für Übernahmen im Ausland eingeführt und Auflagen verabschiedet, um den Kapitalfluss ins Ausland zu kontrollieren“, sagt Alexander Kron von EY. „Und auch auf europäischer Seite wurden die regulatorischen Anforderungen erhöht – daran sind einige Deals gescheitert. Zudem schauen sich chinesische Unternehmen Übernahmekandidaten heute viel genauer an.“

Aber auch die europäischen Firmen agierten vorsichtiger. „Es gibt eine verstärkte Tendenz, dass europäische Verkäufer schon bei der Unterzeichnung des Kaufvertrags eine hohe Summe als Sicherheit verlangen, weil sie Probleme bei der Transferierung des Kaufpreises nach Europa befürchten“, sagt Yi Sun, China-Expertin von EY. Sun rechnet nicht mit einem Einbruch der Käufe. „Das Interesse gerade an deutschen Industrie- und High-Tech-Unternehmen ist ungebrochen. Wo sich interessante Gelegenheiten ergeben, stehen chinesische Investoren nach wie vor bereit.“ Neben der Industrie stünden auch Firmen aus den Bereichen Mode/Einzelhandel, Lebensmittel und Pharma zunehmend im Fokus. „Wir sehen erste Anzeichen, dass die chinesische Regierung wieder langsam die Tür öffnet, besonders wenn es sich um attraktive Zielunternehmen handelt.“

Vor allem Industrieunternehmen sind gefragt

Im vergangenen Jahr griff China vor allem bei Industrieunternehmen zu: Europaweit gingen 79 Firmen in chinesische Hände über – davon 30 in Deutschland. Darunter waren die Carcoustics International, Formel D und in-tech, deren Transaktionswert insgesamt rund 500 Millionen Euro betrug.

Europaweit floss die größte Summe allerdings beim Kauf der Logistikplattform Logicor, einer Blackstone-Tochter. Hier zahlte der chinesische Staatsfonds China Investment Corporation umgerechnet rund elf Milliarden Euro. CEFC China Energy ließ sich den Einstieg bei der russischen Rosneft 7,6 Milliarden Euro kosten. Auf dem dritten Rang folgt die Übernahme des deutschen Energiedienstleisters ista durch die Cheung Kong Property Holding für umgerechnet 5,5 Milliarden Euro.

Betrachtet man den Wert der Transaktionen, finden sich laut EY drei deutsche Unternehmen unter den Top 10. Neben der ista-Transaktion waren das der etappenweise Einstieg des chinesischen Mischkonzerns HNA bei der Deutschen Bank sowie das Übernahmeangebot der Creat Group für die Biotest AG. Diesem müssen allerdings noch die US-Behörden zustimmen.

Die Käufer aus Fernost lagen 2017 im Ranking der größten Investoren in Deutschland gemeinsam mit Frankreich auf dem vierten Platz – hinter den USA (155 Transaktionen), der Schweiz (87) und Großbritannien (84).