Was Felix Baumgartner gewagt hat, war ohne Zweifel eine Rekordtat. Die Erkenntnisse aus dem Sprung halten sich aus Sicht deutscher Wissenschaftler aber in Grenzen.

Stuttgart - Wer von der Mission am Rande des Weltalls spricht, hat sich bereits das erste Mal von der gigantischen Vermarktung des Projekts Red Bull Stratos blenden lassen.

 

Der Himmel über Felix Baumgartner ist zwar schwarz, und der Horizont gewölbt. Doch das All beginnt, da ist man sich zumindest beim Weltluftsportverband FAI einig, erst in 100 Kilometer Höhe über der Erdoberfläche. Dort trennt die nach Theodor Kármán benannte, lediglich gedachte Linie die Atmosphäre vom Draußen. Baumgartner ist aus 39 Kilometern Höhe gesprungen – beeindruckend hoch, aber vom All weit entfernt. Auch die Krümmung der Erdoberfläche ist in dieser Höhe noch nicht ganz so stark, wie sie auf den Fotos der Weitwinkelobjektive erscheint.

Der Neuigkeitswert der Daten ist gering

So zeigt sich bereits im Kleinen, dass beim wissenschaftlichen Anspruch des Projekts zwischen Wunsch, Werbung und Wirklichkeit eine gewisse Lücke klafft. Rupert Gerzer, der das DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin in Köln leitet, hat am Sonntag dennoch den Sprung live verfolgt. „Ich fand es spannend und war beeindruckt, wie hochprofessionell das Team gearbeitet hat“, sagt der Mediziner. Das Spektakel bot ihm auch eine Überraschung: „Ich hätte erwartet, dass er bei Erreichen der Überschallgeschwindigkeit einen Stoß bekommt“, sagt Gerzer. Doch der Effekt blieb aus. „Rückblickend betrachtet eigentlich logisch, dass bei einem Fünfzigstel der Luftdichte nicht das Gleiche passiert wie hier unten“, urteilt der Mediziner.

Tatsächlich hält Gerzer den Neuigkeitswert der gewonnenen Daten, zumindest was die Auswirkungen auf den menschlichen Körper betrifft, für gering. Denn auch wenn sie sich von denen militärischer Simulationen und früheren Rekordsprüngen unterscheiden sollten: Es wird nach Gerzers Einschätzung künftig kaum ein Szenario geben, in dem ein Mensch einer ähnlichen Belastung wie Felix Baumgartner ausgesetzt sein wird. Bisher haben zwar die amerikanischen Shuttle-Astronauten nach dem Challenger-Unglück stets den Notausstieg bei anderthalbfacher Schallgeschwindigkeit trainiert – im Schwimmbad, unter Wasser. Dafür wurde eine Luke abgesprengt, und eine Stange aus dem Rumpf geschoben, an der sich die Astronauten abseilten, um nicht die Flügel zu treffen. Doch diese überholten Manöver waren mit einer der Gründe, das Shuttle einzumotten. Künftig will man andere Wege gehen. Crew-Kapseln sollen möglichst als Ganzes gerettet werden – das gilt sowohl für den privaten Transporter Dragon, der bereits zur ISS flog, als auch für die Sojus-Fähren der Russen und das chinesische Shenzhou-Raumfahrzeug.

Der technische Leiter hat am Batmobil mitgewirkt

Dass Erkenntnisse aus dem Stratos-Projekt sich anderswo als nützlich erweisen, ist dennoch so gut wie sicher. Viele Mitarbeiter zählen zu den Besten auf ihrem Gebiet, und arbeiten parallel für die Nasa oder für Luft- und Raumfahrtunternehmen – nicht nur Jonathan Clark, der medizinische Betreuer, den Gerzer gut kennt. Art Thompson, der technische Leiter, hat beispielsweise sein beim Bau des Stealth Bombers gewonnenes Knowhow auch schon im Auftrag Hollywoods eingesetzt – beim Bau von Batmans Fahrzeug Batmobil.