In der Schlaganfallstation der Rems-Murr-Klinik ist Geschwindigkeit ein entscheidender Faktor. Die „Stroke Unit“ hat sich ihre Abläufe und Ausstattung deshalb jetzt zertifizieren lassen.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Winnenden - Seit Ende Juni spielt die Rems-Murr-Klinik in Winnenden in der Bundesliga der Schlaganfallbehandlung mit. So zumindest drückt es Prof. Dr. Ludwig Niehaus aus, der Chefarzt der dortigen Neurologie. Die sogenannte Stroke-Unit des Krankenhauses ist von der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft und der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe zertifiziert worden. Deutschlandweit gibt es rund 240 solcher Einheiten, welche die vorgegebenen Qualitätsstandards erfüllen. Davon liegen – inklusive Winnenden – sechs in der Region Stuttgart: Ludwigsburg, Göppingen, Esslingen, Kirchheim unter Teck und zwei in Stuttgart. Das wichtigste Kriterium, das alle zertifizierten Kliniken erfüllen müssen, ist, dass in 90 Prozent der Fälle nicht mehr als eine Stunde zwischen der Einlieferung des Patienten und seiner Behandlung vergehen darf.

 

Umfassende Diagnose im Rekordtempo

„35 Minuten Door-to-needle-time“ steht auf dem Zettel an der Tür des Notfallaufnahmezimmers, der die Diagnosezeit des zuletzt behandelten Patienten dokumentiert. Innerhalb von 22 Minuten ist er samt Kardiodiagrammen und Blutbild untersucht, sind alle Daten über Symptome und Vorerkrankungen sowie sein mutmaßlicher Wille bei den Angehörigen abgefragt worden. Nach weiteren gut zwölf Minuten in der Magnetresonanztomographie stand fest, dass ein Blutgerinsel in seinem Gehirn eine Arterie verstopft. Sofort wurde eine Nadel gesetzt, um das Gerinnsel mittels einer Lyse-Therapie aufzulösen.

Die Zeit, die bei jedem Patienten aufs Neue an der Notfallaufnahmetür gut sichtbar dokumentiert wird, solle Ansporn und Mahnung zugleich sein, sagt Ludwig Niehaus, der sich vorgenommen hat, die Zeit bis zur Behandlung nicht nur auf die geforderte Eine-Stunde-Marke sondern auf weniger als 40 Minuten zu drücken. Ein sportliches Ziel, wie er einräumt, aber möglicherweise auch ein ärztlicher Ehrgeiz, der manchem Patienten das Leben erleichtern könne Denn Time ist brain – Zeit ist Gehirn lautet eine angesichts von minütlich rund 1,9 Millionen absterbenden Gehirnzellen in Fachkreisen gern gebrauchte Phrase. Oder, wie es Ludwig Niehaus ausdrückt: „Je schneller ein Schlaganfall behandelt wird, desto besser sind die Aussichten, dass davon nicht so viel zurückbleibt.“

Rund um die Uhr in der gleichen Qualität besetzt

Um eine Lyse vornehmen zu können, dürften zwischen den ersten Symptomen und der Behandlung nicht mehr als viereinhalb Stunden vergehen, sagt Niehaus. „Und die einzige Zeit, die wir dabei beeinflussen können, ist die nach der Einlieferung ins Krankenhaus.“ Um zertifiziert werden zu können, müssen deshalb nicht nur genaustens ineinander greifende standardisierte Abläufe nachgewiesen werden. Die Elf-Betten-Station in Winnenden muss auch rund um die Uhr in der gleichen Qualität besetzt sein. Im Pflegebereich ist dazu ein Drei- und bei den Ärzten ein Zwei-Schichtbetrieb eingeführt worden. Außerdem ist schon die Kommunikation nach der Alarmierung mit den Rettungsdiensten genaustens abgestimmt worden.

Rund 1000 Schlaganfallpatienten werden es im ersten Betriebsjahr der Klinik vermutlich sein. Das „Potenzial“ liegt wohl höher. Bei jährlich bundesweit rund 250 000 Schlaganfallpatienten könne man mit etwa 1400 einschlägig Erkrankten im Rems-Murr-Kreis rechnen, sagt Niehaus. Leider, sagt der Chefarzt und meint dies nicht nur aus betriebswirtschaftlichen Gründen, komme nicht jeder Schlaganfallpatient rechtzeitig in der Klinik an. Statt unverzüglich den Notruf zu alarmieren, hofften noch zu viele Menschen, dass die typischen Symptome – eine halbseitige Lähmung und Einschränkungen der Sprachfähigkeit – wieder von selbst verschwinden. Das aber stelle sich oft als ein fataler Irrtum heraus.