Der neue Rems-Murr-Landrat Richard Sigel bringt in der Kreistagssitzung in Weiler zum Stein seinen ersten Haushaltsplan ein – und warnt zusammen mit dem Kämmerer vor manchen eigenen Prognosen.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Leutenbach - Der erste Haushaltsplan unter Richard Sigels Verantwortung ist 3,8  Zentimeter dick und umfasst 769 Seiten. Doch auch inhaltlich habe es das Zahlenwerk in sich, sagt der neue Landrat. Trotz guter Konjunkturlage und gestiegener Steuereinnahmen will der Kreis die Kommunen deutlich stärker zur Kasse bitten als im ohnehin nicht niedrigniveauverdächtigen aktuellen Jahr. Mit 39,9 Prozent soll die Kreisumlage noch gerade so unter der 40-Prozent-Marke und der Schuldenstand knapp unter 80 Millionen Euro gehalten werden.

 

Die wichtigste Erkenntnis bei der Aufstellung des Etatplans für das kommende Jahr ist für den Landrat folgende gewesen: „Wir sind noch viel fremdbestimmter, als ich das bisher vermutet habe.“ Bei zentralen Themen habe die Kreisverwaltung das Heft des Handelns nur teilweise in ihrer Hand. Das gelte ganz besonders für das zurzeit alles überlagernde Thema, die Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen, aber auch in Sachen Gesundheitsversorgung, wo durch ein geplantes Krankenhausstrukturgesetz neuerliche finanzielle Belastungen drohten.

Klinikminus von fast 30 Millionen Euro

Auch ohne diese muss der Kreis bereits tief in die Kasse greifen, um ein erneut anfallendes Defizit der Rems-Murr-Kliniken auszugleichen. Der Kreiskämmerer Frank Geißler rechnet allein für das kommende Jahr mit einem Zuschussbedarf von 29,4 Millionen Euro. Um einen, wie er sagt, „noch vertretbaren Kreishaushalt“ aufstellen zu können, sei geplant, zunächst lediglich 21,9 Millionen auszugleichen und die fehlenden 7,5 Millionen Euro auf die drei Folgejahre zu verteilen. Obwohl sich das Ergebnis aus dem laufenden Betrieb der Kliniken in den kommenden Jahren stetig verbessern soll und binnen fünf Jahren auch eine „schwarze Null“ angepeilt wird, rechnet der Landrat inzwischen nicht mehr damit, dass sich die Neubaukosten für das Klinikum in Winnenden noch amortisieren werden. Sigel: „Das Krankenhaus wird noch Jahre, ich glaube auf Dauer, die finanzielle Unterstützung des Kreises benötigen.“

Mit der Einbringung des Haushalts beginnt traditionell unter den Kommunen das Ringen um die Kreisumlage. Doch Sigel sagt, er sehe dabei „keine Luft zum Feilschen“. Der Etatplan sei an mehreren Stellen mit Risiken und Unwägbarkeiten behaftet, warnt der Landrat und nennt neben der Flüchtlingsunterbringung und dem Krankenhaus auch eine noch laufende Organisationsuntersuchung im Jugendamt als Beispiel. Zu letzterer gebe es zwar noch kein abschließendes Ergebnis, aber die Signale stünden auf Stellenmehrbedarf.

Kämmerer legt weiterhin gute Konjunktur zugrunde

Gleichwohl habe man sich bei der Kalkulation des Etats bemüht, „die Balance zwischen dem finanziellen Bedarf des Kreises und den berechtigten Interessen der Städte und Gemeinden“ zu wahren, sagt Sigel. „Dabei haben wir einen gewissen Optimismus walten lassen, um zu dem gewünschten Ergebnis zu kommen“, räumt Geißler ein. Man sei bei der Planung von einer dauerhaft guten Konjunkturlage ausgegangen, betont der Kämmerer. „Wenn sich’s dreht, hätten wir keinerlei Reserven mehr.“ Und selbst wenn sich unerwartete Spielräume ergäben – etwa durch die vom Land zugesagte sogenannte Spitzabrechnung der tatsächlich anfallenden Kosten bei der Flüchtlingsunterbringung –, werde er dringend dazu raten, diese zum Schuldenabbau zu nutzen. Schon bei der Prüfung des aktuellen Etatplans habe das Regierungspräsidium Stuttgart nämlich die Schuldensituation des Kreises als äußerst problematisch gerügt. Zum Jahresende 2016 wird der Kreditberg – ohne Krankenhaus – um weitere 7,5 Millionen Euro auf dann 79,6 Millionen angewachsen sein. Frank Geißler: „Damit befinden wir uns in der Gesamtverschuldung der Landkreise in Baden-Württemberg an der Spitze.“