Auf dem ehemaligen Bundeswehrdepot bei Schorndorf-Unterberken werden erst einmal keine Windräder gebaut. Warum es aber in ein paar Jahren mit einer Genehmigung klappen könnte:

Schorndorf - Sabine Beißwengers Erleichterung ist groß. Genau wie ihre Zufriedenheit darüber, was der Verein Lebensraum östlicher Schurwald geleistet hat: „Ich denke, dass unser Artenschutzgutachten einen entscheidenden Anteil hatte“, sagt die zweite Vereinsvorsitzende. Einen entscheidenden Anteil daran, dass am Standort GP-03 in den kommenden Jahren keine Windräder gebaut werden. Zumindest hat die Unternehmenskooperation der Stadtwerke Schorndorf, Fellbach und der Energieversorgung Filstal vor zwei Wochen mitgeteilt, dass sie den Genehmigungsantrag nicht mehr vorantreiben werde.

 

Ein Blick in die Vergangenheit: vor zwei Jahren hatte das Landratsamt des Rems-Murr-Kreises im Schorndorfer Teilort Oberberken eine große öffentliche Erörterungsverhandlung zu den vier geplanten Windrädern auf dem ehemaligen Bundeswehrdepot zwischen Unterberken und Wangen durchgeführt.

Gutachter entdeckt Milane, Wespenbussarde und Baumfalken

Damals hatte sich herauskristallisiert, dass ein zentrales Thema des Genehmigungsverfahren der Artenschutz ist. Der Verein Lebensraum östlicher Schurwald hatte dem Landratsamt ein Artenschutzgutachten vorgelegt, das ein Dichtezentrum des Rotmilans, ein Revierzentrum im 1000-Meter-Radius sowie Brutvorkommen der windkraftempfindlichen Arten Schwarzmilan, Wespenbussard sowie Baumfalke bescheinigte.

Die Antragsteller beauftragten daraufhin eine detaillierte Raumnutzungsanalyse. „An einigen wenigen der 19 Beobachtungsterminen vor Ort kam es zu Überflügen des Rotmilans über dem geplanten Gebiet. Dies liegt unter anderem an der untypisch offenen Struktur des Waldgebietes“, heißt es dazu in der Pressemitteilung der Unternehmenskooperation.

Wird der Wald wieder aufgeforstet, könnte der Milan verschwinden

Die zuständigen Genehmigungsbehörden, die Landratsämter in Waiblingen und Göppingen, kamen zu dem Schluss, dass eines der vier geplanten Windräder überhaupt nicht gebaut werden darf, weil es sowohl im Rotmilandichtezentrum liegt (fünf Brutpaare im Umkreis von 3,3 Kilometer) als auch innerhalb des 1000-Meter-Mindestabstands zum nächstgelegenen Horst. „Eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung ist in dieser Konstellation ausgeschlossen“, schreibt das Landratsamt Waiblingen auf Nachfrage.

Für zwei Windräder wären umfangreiche Vermeidungsmaßnahmen notwendig, man müsste die Fläche für Rotmilane unattraktiv gestalten, also aufforsten. „Diese Maßnahmen wären umfangreich und würden sich über Jahre hinziehen. Der Erfolg ist schwer einschätzbar“, schreibt das Landratsamt. Nur bei einer Winkraftanlage gäbe es keine Bedenken.

Technischer Fortschritt könnte anfliegende Vögel erkennen

In ihrer Pressemitteilung schreibt die Unternehmenskooperation, dass der Standort in einigen Jahren durchaus wieder genehmigungsfähig werden könnte: Da der Flächeneigentümer ForstBW das ehemalige Bundeswehrdepot nun aufforste, könnte der Überflug von Vögeln stark abnehmen. Zudem würden die Hersteller mit Hochdruck daran arbeiten, dass Windräder Annäherungen von Vögeln erkennen könnten – Konflikte zwischen Tier und Technik würden vermieden.

Allerdings müsste dann eine erneut durchzuführende Raumnutzungsanalyse nachweisen, dass ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko der Rotmilane ausgeschlossen werden kann. Dass zukünftige Untersuchungen zu diesem Schluss kommen, hält das Landratsamt für nicht sehr wahrscheinlich.

Erst aufforsten, dann wieder roden?

„Man forstet das Gelände also auf, um es dann wieder für Windräder zu roden. Da frage ich mich nach der Sinnhaftigkeit“, sagt Sabine Beißwenger, die sich zudem nicht vorstellen kann, warum es in ein paar Jahren dort keine schützenswerten Vögel mehr geben soll. „Außerdem müssten die Antragsteller sämtliche Gutachten noch einmal machen, das kostet wahnsinnig viel Geld.“ Der Vereins Lebensraum östlicher Schurwald will sich dafür einsetzen, dass der Standort ganz aus der Regionalplanung herausgenommen wird.

Verschwunden von seiner politischen Agenda ist das Windkraftprojekt für den Schorndorfer Oberbürgermeister: „Wir müssen das Ergebnis akzeptieren. Wenn der Rotmilan das Gebiet nutzt, dann ist es so“, sagt Matthias Klopfer. Allerdings gebe man den Standort, der aus Sicht der Unternehmenskooperation ideale Voraussetzung für die Windkraftnutzung biete, auf keinen Fall für alle Zeiten auf. Denn: „Der Strom kommt immer noch nicht aus der Steckdose.“