In der Coronapandemie entdecken die Deutschen ihren Impfpass wieder – zum Beispiel unterm Sofa. Manche Modelle fallen im Impfzentrum dann fast auseinander. Und ausgerechnet für Impfkritiker scheint das Papier besonders wertvoll zu sein.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Stuttgart - Ein Mann tanzt exzentrisch durch seine Wohnung, zieht Bücher hervor, schaut unter Schränke. In einem Stapel alter Briefe findet er schließlich, was seine Nachbarin ebenfalls im Tanzschritt bereits gefunden hat: ein gelbes Heftchen mit dem Zeichen der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

 

„Deutschland sucht den Impfpass“, hieß die Kampagne zu diesen Bildern, die vor einigen Jahren die Deutschen an ein ebenso wichtiges wie vergessenes Dokument erinnern wollte. Was der Spot damals kaum vermochte, ist mit Corona gelungen. Viele haben gesucht: im Kommodenfach, in der ausrangierten Brieftasche, unterm Sofa. Der Impfausweis erlebt eine Renaissance und kann sogar Streit zwischen Generationen anzetteln. „Meine Eltern haben meinen Impfpass verschlampt“, beschwert sich ein Mittdreißiger auf Facebook, der den Pappedeckel über Jahre offenbar nicht vermisst hatte.

Zerfleddert vom letzten Afrikatrip

Doch nicht jedes Dokument, das zwischen Parkausweisen und Wäschebons gelegen hat, genügt den heutigen Anforderungen. „Was meinen Sie, was mir hier schon vorgelegt wurde“, sagt Heike Ebert. Die 56-jährige Ärztin arbeitet im Tuttlinger Kreisimpfzentrum. Dort seien tausend Impfbücher durch ihre Hände gegangen. Die einen seien von unzähligen Reisen nach Afrika oder Asien völlig zerfleddert gewesen, andere sähen auch nach 30 Jahren noch so aus wie neu. Das hässlichste Exemplar habe ausgesehen „wie eine gebrauchte Küchenrolle mit Colaflecken“, sagt Ebert. Vielleicht wurde es mal mitgewaschen. Die Aufkleber der Impfstoffe seien kaum noch lesbar gewesen.

Natürlich gibt es auch jungfräuliche Modelle. „Da steht dann überhaupt nichts drin“ – was auch nicht Sinn der Sache ist. Schließlich soll das Papier den Ärzten ermöglichen, den Impfstatus des Impflings zu prüfen – jetzt im Impfzentrum, aber notfalls auch bei einem Unfall oder einer Erkrankung im Ausland.

Die Nachfrage in der Pandemie steigt

28 Seiten umfasse das aktuelle Modell, teilt das Grüne Kreuz mit, das die Pässe seit mehr als 50 Jahren vertreibt. Für 55 Cent pro Stück können Hausärzte, Apotheken und Gesundheitseinrichtungen sie anfordern. Eine Abgabe an Privatpersonen sei nicht vorgesehen. Schließlich handelt es sich um ein wichtiges Dokument, das noch an Bedeutung gewinnen könnte, wenn der Nachweis der Coronaimpfung zur Voraussetzung für den Restaurantbesuch oder die Reise wird.

In der Pandemie habe die Nachfrage stark zugenommen, heißt es beim Grünen Kreuz. Nicht wenige Patienten kämen vor dem Impftermin noch schnell bei ihm vorbei, um sich ein neues Impfbuch geben zu lassen, sagt Frank-Dieter Braun (66), seit 36 Jahren Hausarzt in Biberach. Das bedeutet viel Arbeit, denn manches Kreisimpfzentrum akzeptiere nur vollständig nachgetragene Impfbücher. „Die sitzen da auf einem hohen Ross“, sagt Braun.

Querdenker lassen sich den Impfpass etwas kosten

Eine spezielle Coronaspalte gibt es auch in den neuesten Heftchen nicht. Sie trage die Impfung meistens bei den Grippevakzinen ein, sagt Ebert. So lange es keine digitalen Impfnachweise gibt, werden Wirte, Friseure und Einzelhändler blättern müssen. Sie sollten die Namen der Impfstoffe schon mal auswendig lernen: Comirnaty, Vaxzevria, Covid-19 Vaccine Moderna. Bald kommen weitere.

Besonders lieb und teuer scheint der Impfpass denjenigen zu sein, die vom Impfen am wenigsten halten. In Querdenker-nahen Messenger-Gruppen auf „Telegram“ bieten zwielichtige Händler gefälschte Corona-Impfnachweise für 125 Euro und mehr an. Allerdings: ein Stempel ohne Piks bringt keine Immunität, auch keine juristische: Die Nutzung einer gefälschten Bescheinigung ist strafbar.