Die 19-jährige Meike Hofbauer zieht Bilanz über ihren einjährigen Freiwilligendienst in Paraguays Hauptstadt.

Renningen - Sprechen Sie überhaupt deutsch?“, holte mich ein mürrischer Flughafenangestellter zurück ins Hier und Jetzt. „Laptop aus der Hülle nehmen, alles in extra Kästen sortieren, bitte.“ „Du bist wieder in Deutschland“, dachte ich mir, und hatte im ersten Moment Mühe, den hessischen Dialekt zu verstehen. Hinter mir lagen zwölf Flugstunden von Sao Paulo nach Frankfurt. Und noch viel mehr.

 

Fast ein Jahr lang hatte ich in Paraguays Hauptstadt Asunción gelebt und gearbeitet. Im August 2016 war ich für einen Freiwilligendienst mit dem weltwärts-Programm und der Entsendeorganisation AFS (American Field Service) nach Paraguay gereist. Ich erinnere mich noch genau, wie wir (eine Gruppe von 13 deutschen Freiwilligen) aus dem Flughafen in Asunción stolperten, wie uns die Sonne entgegen brannte und wir mitten hineingeworfen wurden in ein Jahr voller neuer Erfahrungen und Erlebnisse, in ein neues Leben.

Die Rückkehr in den Alltag ist schwierig

Jetzt, nach einem Jahr in den deutschen Alltag zurückzukehren, ist beinahe genauso schwierig wie das Einleben in Paraguay: Das Toilettenpapier wird in Deutschland tatsächlich in die Toilette geworfen. Aus den Duschen kommt durchgehend heißes Wasser. Im Auto schnallt man sich an. Am Zebrastreifen wird angehalten. Es gibt Fußgängerampeln, um die Straße zu überqueren und die Leute warten tatsächlich, bis es grün wird. Es gibt Bushaltestellen und Fahrpläne, die (meistens) eingehalten werden. All dies und vieles mehr war in Paraguay nicht selbstverständlich.

Und doch hat man sich daran gewöhnt. Und wurde mein Leben. Mein Leben, das war zu allererst einmal meine Arbeit, mein Projekt. Die Kindertagesstätte Cynthia Espinoza. Hier verbrachte ich fünf Tage die Woche, acht Stunden am Tag. Es werden ungefähr 100 Kinder in drei verschiedenen Altersgruppen betreut, welche aus sehr armen Verhältnissen stammen. Zuletzt habe ich in der Vorschulgruppe bei den Vier- bis Fünfjährigen geholfen.

Der Tagesablauf ist jeden Tag gleich: Es gibt Frühstück, danach wird gespielt, gebastelt oder etwas Unterricht gemacht. Dann geht es zum Spielen in den Park. Anschließend gibt es Mittagessen und danach wird, auch mit der Vorschulklasse, Mittagsschlaf gehalten. Die Kinder erhalten noch eine kleine Brotmahlzeit, bevor sie gegen 15.30 Uhr von den Eltern abgeholt werden.

Diese feste Struktur gibt den Kindern einen sicheren Halt. Allerdings hatte ich oft das Gefühl, dass die Kinder hier viel weniger frei spielen als in deutschen Kindergärten. Sie müssen sehr viel still sitzen und beispielsweise den Kopf „zum Ausruhen“ auf den Tisch legen, während darauf gewartet wird, dass es weiter geht. Allerdings hatte ich in den vergangenen Monaten sehr viel Freiraum zur eigenen Gestaltung. So führte ich das Zähneputzen ein, das die meisten Kinder von zu Hause gar nicht kennen, hielt kleinere Unterrichtsstunden über Deutschland und die Weltkarte. Wir lernten deutsche Lieder und sprachen über die Kinderrechte.

Kinder sind aggressiv oder aufgedreht

Meine Arbeit machte mir unglaublich viel Spaß und ich schloss die Kinder sehr schnell ins Herz. Dennoch war es nicht immer einfach, da viele der Kinder aus schwierigen familiären Verhältnissen kommen und beispielsweise Gewalt in der Familie direkt miterleben. So sind viele Kinder oft sehr aggressiv, leicht ablenkbar, unkonzentriert oder aufgedreht. Da gibt es den Jungen, der sich in den ersten Monaten immer hinter einem Baum versteckte, wenn wir im Park spielen waren. Oder den Jungen, den man nicht von den Spielzeugen losbekommt und den, der mit fünf Jahren noch am Daumen lutscht. Beim Mittagessen gibt es viele Kinder, die ihre Teller bis auf den letzten Tropfen auslecken und nach mehr Essen rufen, und andere, die nicht essen wollen und gefüttert werden müssen. Jeder Tag war sehr besonders, oft auch anstrengend und emotional.

Das Jahr über lebte ich in zwei verschiedenen Gastfamilien. Die Unterschiede zwischen meinen Gastfamilien spiegeln sehr gut die extremen Gegensätze der Bevölkerung wieder, zwischen arm und reich. Eine Mittelschicht existiert beinahe nicht. Der Wechsel von einer eher armen in eine sehr reiche Familie mit alarmgesichertem Haus und eigener Angestellten war für mich nicht einfach. Jeden Tag pendelte ich nun zwischen zwei Welten, zwischen der Armut in meiner Arbeit und dem Reichtum meiner Gastfamilie.

Nun stellt sich die Frage: Was bringt so ein Freiwilligendienst überhaupt? Wir Freiwilligen sind keine Entwicklungshelfer. Wir sind Vermittler zwischen den Kulturen. So konnte ich als einzelne Person zwar nicht die Welt bewegen, konnte aber viel in meinem Projekt bewirken und über das Leben lernen. Und so habe ich vielleicht doch das eine oder andere Herz eines Erwachsenen oder Kindes berührt, konnte erzählen, dass Deutschland in Europa liegt und man mit dem Euro zahlt, dass es im Winter sehr kalt ist und die Kinder hier Schneemänner bauen. Es geht nicht darum die Welt zu retten, es geht um die kleinen Momente, um das Teilen von Kulturen und Gewohnheiten, um Zuhören, Zusehen und voneinander Lernen – aber vor allem den Respekt für das Andere.