Monatelang herrschte sozusagen Winterruhe beim Dauerbrenner Hermann-Hesse-Bahn. Doch nun sind alle wieder in heller Aufregung – die Verteilung von 70 000 Exemplaren des „HHB-Express“ hat die alten Reflexe wieder zuverlässig reaktiviert

Renningen/Weil der Stadt - Monatelang herrschte sozusagen Winterruhe beim Dauerbrenner Hermann-Hesse-Bahn. Selbst die Kritiker aus dem Altkreis oder zumindest die meisten Kommunalpolitiker dort schienen das Projekt zumindest resignierend als quasi gottgegeben hinzunehmen. Doch nun sind alle wieder in heller Aufregung – die Verteilung von 70 000 Exemplaren des Farbmagazins „HHB-Express“ in Weil der Stadt und Renningen hat die alten Reflexe wieder zuverlässig reaktiviert und den Protest dagegen aufflammen lassen, dass der Dieselzug von Calw nicht nur nach Weil, sondern bis Renningen fährt.

 

Das hat jetzt auch in der Regionalversammlung für Aufsehen gesorgt. Unter dem Tagesordnungspunkt Verschiedenes des regionalen Verkehrsausschusses hat der Leonberger CDU-Regionalrat Helmut Noë am Mittwochabend ein Exemplar mit dem Titel „HHB-Express – Das Magazin zur Hermann-Hesse-Bahn“ hochgehalten und erklärt, dass dieses „an alle Haushalte in Renningen und Weil der Stadt“ verteilt worden sei.

Dazu stellte Noë folgende Frage: „Ist dieses Blatt mit der Verbandsverwaltung abgestimmt worden?“ Die Regionaldirektorin Nicola Schelling verneinte: „Das ist nicht mit uns abgestimmt.“ Noë ließ durchblicken, dass er als Mandatsträger der Regionalversammlung mit den Inhalten nicht einverstanden sein könne. Weil die Zeit angesichts einer anschließenden Sitzung des Ältestenrats aber drängte, war das Thema damit allerdings wieder beendet – zumindest für diesen Abend.

Aus allen Rohren schießen unterdessen die vier Bürgerinitiativen aus Malmsheim, Weil der Stadt, Ostelsheim und Calw, die aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht sind. „Wir unterstellen Irreführung der Öffentlichkeit“, heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung, „wir verlangen eine Gegendarstellung.“

Sie stören sich an der Aussage in der Broschüre, die Hesse-Bahn sei bereits „beschlossene Sache“. Es gebe aber weder einen Bescheid des Verkehrsministeriums, noch seien die nötigen Gutachten vorgelegt worden. Zudem seien falsche Zahlen enthalten: Die Kosten lägen nicht bei 45 Millionen, sondern bei bis zu 60 Millionen Euro. Zudem würden keine „modernen“ Dieselzüge eingesetzt, wie im HHB-Express behauptet, sondern 20 Jahre alte Triebwagen der Schönbuchbahn.

Auch im Böblinger Landratsamt ist man nachhaltig verstimmt. Wie berichtet, hat der Böblinger Landrat einen empörten Brief an seinen Calwer Kollegen Helmut Riegger geschrieben und ihm „unkollegiales Verhalten“ vorgeworfen. Kenner der kreispolitischen Szene schütteln vor allem deswegen den Kopf, weil die Aktion aus Calw die ohnehin unkomfortable Lage des Böblinger Landrats noch schwieriger macht: Eine Mehrheit des Kreistages ist gegen jede noch so geringe Kostenbeteiligung an der Hesse-Bahn.

Dass nun im „HHB-Express“ geschrieben wird, dies sei bereits gesichert, hat selbst wohlmeinende Freunde des Bahnprojekts vor den Kopf gestoßen.

Wie reagiert man im Calwer Landratsamt? Unumwunden räumt der für Nahverkehr zuständige Dezernent Andreas Knörle ein: „Wir sind von der Vehemenz der Reaktionen überrascht.“ Man nehme die Kritik des Böblinger Landrates zur Kenntnis, wolle sie aber nicht weiter kommentieren.

„Wir hatten mehr Information versprochen“, erklärt Knörle, „das Magazin sehen wir als unseren Beitrag dazu.“ Es sei vor allem für die Bevölkerung gedacht, gerade aus Weil der Stadt und Renningen gebe es „viele positive Reaktionen“ auf den Achtseiter. Falsche Fakten seien in der Broschüre nicht enthalten, betont Knörle.

So hätten die Bürgermeister von Weil der Stadt und Renningen etwa bei dem gemeinsamen Termin im Ministerium durchaus dem Stufenkonzept für die Hesse-Bahn zugestimmt. Was die erwähnte Kostenbeteiligung des Landkreises angehe, so sei die Formulierung vielleicht „nicht ganz eindeutig“ oder missverständlich. Der Calwer Dezernent kann indes in dem geharnischten Protestbrief des Böblinger Landrats Bernhard sogar Positives erkennen. Etwa an der Formulierung „Wir sind Partner, werden aber so nicht behandelt.“ Knörle dazu: „Wir freuen uns, dass wir bei dem Projekt der Hesse-Bahn Partner sind. Das ist ein Fortschritt.“