Bestmögliche Flitzer zu bauen, ist für das Rennteam der Uni Stuttgart in Vaihingen ein Türöffner in der Branche. Deshalb sind Studierende gerne bereit, eine Zeit lang den Hörsaal gegen die Werkstatt zu tauschen.

Vaihingen - In der Garage des Rennteams der Universität in Stuttgart-Vaihingen darf endlich wieder getüftelt und geschraubt werden. Aufgrund der anhaltenden Coronapandemie stand hier über Monate hinweg alles still. Den 30 Studierenden des Rennstalls war es nicht möglich, das zu tun, wofür sie alle brennen: einen fahrtüchtigen, Formel-1-ähnlichen Rennboliden zu konstruieren, an internationalen Wettbewerben teilzunehmen und Siege einzufahren. Aber jetzt riecht es hier in den Hallen wieder nach Benzin, Motoröl und gelötetem Stahl.

 

Seit 15 Jahren stellen die Studierenden immer wieder einen der besten Rennwagen des Landes her – und fahren Trophäen ein. „Bei jedem Wettbewerb zu gewinnen, ist jede Saison einfach ein Muss-Anspruch an uns selbst“, sagt die neue Leiterin des Rennteams, Johanna Hintz. Sie ist schon seit der vergangenen Saison Teil des Teams, hat damals noch in der Fertigung gearbeitet und miterlebt, wie man auf fünf Events in Europa insgesamt sechs Siege und 16 Pokale eingefahren hat. „Ich übernehme hier ein großes Team mit einer noch größeren Historie.“

Der R6-Motor bringt zurzeit 86 Pferdestärken auf den Asphalt

Wie viele andere Mitwirkende nimmt sich die 23-jährige Simulationstechnik-Studentin dafür extra ein Urlaubssemester. Der Fokus liegt voll und ganz darauf, die selbst gesteckten Ziele zu erreichen. Denn wer sich hier beweisen kann, dem stehen später viele Türen in der Motorsport-Szene und zu großen Automobilkonzernen offen.

Dafür schaut sich das jetzige Team den Wagen mit dem Namen F0711-15 aus der vorherigen Saison genau an und zieht aus ihm wichtige Erkenntnisse. Beispielsweise der eingebaute, modifizierte R6-Motor der Marke Yamaha bringt zurzeit 86 Pferdestärken auf den Asphalt und beschleunigt bei einem Gesamtgewicht von 200 Kilogramm innerhalb von zwei Sekunden auf 100 Kilometer pro Stunde. Doch damit gibt sich Johanna Hintz nicht zufrieden: „Man kann immer etwas verbessern. Wir achten darauf, was letzte Saison funktioniert hat und was nicht.“

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Ganz oben auf der Prioritätenliste: eine Gewichtseinsparung von 20 Kilogramm. Das sei zwar eine sportliche Aufgabe aber man finde immer einen Weg, ein wenig Gewicht einzusparen. Im Zuge dessen soll in Zukunft die Fertigungsqualität des aus Carbon bestehenden Cockpits verbessert werden, dass die Studierenden übrigens selbst herstellen. Außerdem ist geplant, dass der Motor noch leistungsstärker wird. Aktuelle Spitzengeschwindigkeit: 120 Kilometer pro Stunde. Hierfür ist mitunter der 22-jährige Moritz Dietrich von der Motorenentwicklung zuständig. Er arbeitet mit seinen Kolleginnen und Kollegen derzeit an der Verwendung eines nachhaltigen Kraftstoffes aus Zuckerrüben – auch E85 genannt. „Die Besonderheit an dem Alkohol-Benzin-Gemisch ist, dass es in seiner chemischen Zusammensetzung bereits eine Sauerstoffgruppe mitbringt“, erklärt er. Das sei hilfreich, weil in den Zylindern eines Motores nicht nur Kraftstoff eingespritzt, sondern auch pure Luft angesaugt werde. Entzünde man diesen Cocktail, entstehe eine Mini-Explosion. „So werden die Kolben eines Verbrennungsmotors angetrieben, und mehr Sauerstoff ergibt mehr Leistung“, erklärt Moritz Dietrich.

Übers Geld reden sie nicht so gerne

Doch Rohstoffe, Materialien und der Kraftstoff mit dem der neue Flitzer F0711-16 angetrieben werden soll, sind teuer. Insgesamt spricht man hier von Summen „im kleinerem, sechsstelligen Bereich“, hält sich Johanna Hintz bedeckt. Über Geld redet sie nicht gerne, aber ohne die mehr als 200 Sponsoren, die das Gehäuse des Rennboliden schmücken, würden sich seine vier Rennreifen keinen Zentimeter bewegen. „Man kann sagen, dass wir als Rennteam eine Art mittleres Unternehmen führen.“

Bisher hat sich die Investition sowohl für das Rennteam als auch für die Gönner immer wieder gelohnt, setzt man die Erfolge und persönliche Weiterentwicklung der engagierten Studierenden in Relation. „Die Unternehmen wissen ganz genau, wofür sie das Geld ausgeben“, sagt Moritz Dietrich. Er selbst möchte später einmal in der Entwicklung der Motorsport-Abteilung von Porsche arbeiten, Johannas Traum-Arbeitsplatz ist die Formel 1. Doch bis es so weit ist, müssen sie mit ihrem eigenen modellierten Rennwagen bei den großen Preisen in Europa ab Juli im nächsten Jahr überzeugen.