Getreu der Devise „Wegwerfen – nein danke!“ erfreuen sich die Repair-Cafés in Jebenhausen und Uhingen wachsender Beliebtheit. Auch in Börtlingen wird neuerdings geflickt, geschraubt und gelötet.

Region: Andreas Pflüger (eas)

Kreis Göppingen - Die altehrwürdige Stereoanlage läuft noch gut – nur mit der Lautstärkeregelung hapert es. Der Staubsauger aus den 1980er-Jahren, dessen Typennummer nicht mal das allwissende Internet kennt, hat seinen Geist aufgegeben. Der allseits geschätzte Fachhändler hat nur die Augenbrauen hochgezogen und „entsorgen“ gemurmelt. Die letzte Chance für die lieb gewonnenen, elektrischen Geräte heißt Repair-Café. Dort lautet die Devise „Wegwerfen – nein danke!“ Es wird nach Kräften repariert. Drei davon gibt es mittlerweile im Kreis Göppingen. Der Zuspruch ist groß und die Erfolgsquote verblüffend hoch.

 

Mit einem „Wasserkocher, der nicht mehr kocht“, steht Steffen Tilp vor dem Annahme-Tisch im Jugendcafé Moccalino in Göppingen-Jebenhausen. Das edle Stück stammt aus einer Swarovski-Edition und ist, wie Tilp sagt, “mindestens zehn Jahre alt“. Seine Frau hänge halt an dem Teil, erklärt der Faurndauer fast schon entschuldigend. Der „Wasserkocher, der nicht mehr kocht“ landet auf dem zur Werkbank mutierten Café-Tisch, gesellt sich zu einem Dampfbügeleisen, einem tanzenden Nikolaus und einem Kassettenrekorder.

Hannsgeorg Kramer, Werner Müller und Johannes Haux sind heute als Schrauber vor Ort und haben jede Menge Geduld. Jeder nimmt sich vor, was gerade auf ihn zukommt: drei technische Alleskönner eben. Müller, ein Maschinenbauingenieur im Ruhestand, spricht von einer „schönen Herausforderung“ und hat sich sogar einen kleinen Fundus an Ersatzteilen zugelegt, „die halt oft kaputt gehen“. Johannes Haux ist Werkzeugmacher und arbeitet als Dreher im familieneigenen Betrieb. Er hat eine andere Motivation: „Ich kann diese Wegwerfmentalität einfach nicht ab“, betont der Jebenhausener. Er habe fünf Kinder und da unsere Erde endlich sei, sollte man mit den Ressourcen sorgsam umgehen. „Zudem sind es meist Kleinigkeiten, die an den Dingen hier defekt sind.“

Etwas Sinnstiftendes anschieben – mit und für Jugendliche

Gudrun Kramer und ihr Mann Hannsgeorg sind es gewesen, die das Repair-Café im Moccalino vor gut drei Jahren etabliert haben. Nachdem ihr drogenabhängiger Sohn gestorben war, suchte das Ehepaar aus Börtlingen etwas Sinnstiftendes. Sie wollten zusammen mit und für Jugendliche etwas anschieben. Der Café-Bereich im einmal monatlich stattfindenden Repair-Café in Göppingen-Jebenhausen ist deshalb auch Sache der Moccalino-Crew.

Hannsgeorg Kramer, von Haus aus Maschinenbauingenieur, Elektrotechniker sowie Elektriker, und seine Mitstreiter haben jedes Mal rund 20 mehr oder weniger knifflige Fälle zu lösen. „Unsere Erfolgsquote liegt bei etwa 60 Prozent“, sagt er. Der Swarovski-Wasserkocher indes trübt die Bilanz. Die Heizspirale ist hin. Steffen Tilp nimmt’s mit einem Achselzucken zur Kenntnis: „ Manchmal ist kaputt halt kaputt. Ich finde es aber trotzdem toll, dass es so eine Einrichtung wie diese hier gibt.“

Zwei Dutzend Schrauber in wechselnder Besetzung

Das sehen viele andere Leute offensichtlich genauso. Die Brunnenstube im Uhinger Berchtoldshof ist an jenem Samstag rappelvoll. Seit 2017 bittet die Lokale Agenda alle zwei Monate zu ihrem Repair-Café und kann dabei aus den Vollen schöpfen. Rund zwei Dutzend Helfer stehen in wechselnder Besetzung zur Verfügung: ausgewiesene Fachleute und passionierte Bastler, Rentner und Studenten gleichermaßen. Im Schnitt gut 50 Hilfesuchende mit noch mehr Gerätschaften kämen vorbei, sagt der Koordinator Werner Lorenz. „Aufgemacht und angeschaut wird von den Reparateuren alles und in der Hälfte der Fälle kriegen sie’s auch wieder hin“, sagt er.

Während sich die Kundschaft das Warten bei einer Tasse Kaffee und mit Schwatzen vertreibt, wird rund herum Hand angelegt: Wanduhr und Fernseher, Tonband und Föhn, Plattenspieler und Kettensäge – dem Monteur ist nichts zu schwer. Ein blinkender Schneemann blinkt wieder und ein Staubsauger saugt wieder. Jochen Wonka hat eine alte Fasspumpe und eine uralte Ständerbohrmaschine mitgebracht. Christian Geiger, im Hauptberuf Software-Entwickler, nimmt sich der beiden Apparate an. Eine halbe Stunde später funktionieren sie wieder: „Das grobe Elektrische kriege ich meist hin“, freut er sich ebenso wie Jochen Wonka, der von einer „feinen Sache“ spricht und seinen Obolus ins Spendenkässchen steckt.

Hilfe zur Selbsthilfe druch die Näherin

Obendrein ist in Uhingen eine funktionstüchtige Nähmaschine im Einsatz. Dahinter sitzt Edith Kampffmeyer. Sie stopft, flickt und zieht zusammen, was zusammengehört. Marius Stenzel hat an seinem Schuh eine Lasche abgerissen. In diesem Fall bietet die Näherin Hilfe zur Selbsthilfe. Zur Tat schreiten muss es der junge Mann selber und nimmt’s gelassen. „Ich bin gekommen, um etwas reparieren zu lassen, und lerne jetzt sogar noch“, erklärt er und versucht sich mit Nadel und Faden.

Vor genau einer Woche haben Hannsgeorg und Gudrun Kramer in ihrem Heimatort Börtlingen jetzt ebenfalls mit einem Repair-Café begonnen. Bei Bürgermeister Franz Wenka rannten sie mit ihrem Ansinnenoffene Türen ein. „Unser Rathauskeller samt Werkstatt ist dafür wie gemacht“, betont der Schultes. Mit der Premiere sind alle hoch zufrieden. 20 Leute waren da, mit zehn Geräten, von denen acht repariert werden konnten. Klaus Müller aus Adelberg ist zum Mitschrauben gekommen: „So etwas könnte ich mir bei uns im Ort durchaus auch vorstellen“, findet er.

Eine Idee setzt sich durch

Das erste Repair-Café hat, auf eine Initiative von Martine Postma hin, im Oktober 2009 in Amsterdam seine Pforten geöffnet – und ist gleich ein Erfolg gewesen. Die niederländische Journalistin und Bloggerin gründete daraufhin eine Stiftung, die als Non-Profit-Organisation allen jenen Gruppen, die ein solches Projekt umsetzen wollen, Unterstützung anbietet. Mittlerweile gibt es weltweit rund 1800 Repair-Cafés, die meisten davon in Europa.

Immer wieder kommt die Frage auf, ob Repair-Cafés, in denen den Besuchern kostenlos und ehrenamtlich geholfen wird, eine Konkurrenz für Profis sind. Untersuchungen haben allerdings gezeigt, dass eher das Gegenteil der Fall ist. Viele Besucher haben erklärt, dass sie ihre beschädigten Geräte in der Regel wegwerfen würden. Zudem werden „schwere Fälle“ von den Repair-Cafés an die wenigen Fachleute, die es noch gibt, weiterverwiesen.