Guillermo Miranda zog es der Liebe wegen nach Stuttgart. Anfangs schabte er noch Spätzle, dann brachte er in einem Food-Truck die Küche seines Heimatlandes in die Stadt. Im Juli eröffnete er sein Restaurant, das die Stuttgarter begeistert.

Stuttgart - Alles ist ein bisschen anders. Auf den Designerstühlen liegen Kissen im südamerikanischen Look, die sich Musikgruppen in der Fußgängerzone unter die Knie legen könnten. Die Regeln entsprechen nicht den üblichen. Der Wirt Guillermo Miranda lacht fröhlich und sagt: „Wir wollten nicht nur die Küche aus Ecuador nach Deutschland bringen, sondern auch das Lebensgefühl“, sagt er. Das Offene, das Laute, das Anarchische: Alles gehört zum Konzept.

 

Das geht offensichtlich auf. Kaum hat mal ein Restaurant in der Stadt derart eingeschlagen wie das El Seco – was alles andere als selbstverständlich ist. Zwar sei die Pacht völlig in Ordnung – genau das machte den 37-Jährigen stutzig. Als er renovierte, habe ein Mann angehalten und ihm erklärt, dass er bald wieder schließen werde. Denn das El Seco ist an einer Ecke des Boschareals, die noch keinem Betreiber Glück gebracht hat.

Eine Cevicheria öffnet auch nur mittags!

Und dann startete der junge Mann auch noch mit diesem durch und durch verrückten Ansatz: Das El Seco öffnet eigentlich nur mittags. Weil eine Cevicheria in seiner Heimat auch nur mittags geöffnet ist. Und Ceviche, ein zentrales Gericht, esse man am besten mittags. Was daran liegen könne, dass die Fischer in Ecuador morgens ihren Fang verkaufen und dieser dann schnell unter die Leute gebracht wird. Ceviche, das sich über die peruanische Küche einen Namen gemacht hat, ist klein geschnittener, roher Fisch, der durch Zitronensäure leicht gegart wird und nicht gekocht. Guillermo Miranda war klar, dass sein Lokal eine Anlaufstelle für den mittäglichen Hunger ist. Mit einer Ausnahme: Das Geschäft am Samstagabend nimmt er mit. Aber reservieren kann man nicht. Erstens weil es für Guillermo Miranda völlig unvorstellbar wäre, in einer Cevicheria in Ecuador einen Platz zu reservieren, das wäre ungefähr so, wie wenn man beim Udo Snack am Samstagabend einen Platz frei gehalten haben möchte. Zweitens passten Reservierungen aus einem anderen Grund nicht zum Lokal: Wer reserviert, der will ein bisschen sitzen bleiben. Das El Seco braucht aber einen ordentlichen Durchsatz, um den nötigen Umsatz zu generieren.

Zunächst studierte Miranda in Quito Betriebswirtschaft

Das weiß Guillermo Miranda, schließlich hat er Betriebswirtschaft studiert. Geboren ist er an der Küste, aber seine Eltern zogen schon früh in die Hauptstadt Quito und schickten ihren Sprössling dort auf eine deutsche Schule, weil diese einen guten Ruf hatte. Über ein Austauschprogramm lernte er Deutschland früh kennen. Nach dem Abitur, entschloss er sich, zum ehemaligen Austauschschüler nach Bielefeld und an die Fachhochschule zu gehen und Betriebswirtschaft zu studieren. Nicht aus Passion, allerdings. „Aber mit 18 Jahren wissen doch die wenigsten, was sie wollen.“

Zurück in Quito stellte er schnell fest: „Das Büroleben war so gar nicht mein Ding.“ Guillermo Miranda gehört zu den praktischen Menschen. „Ein Problem suchen und eine Lösung finden – da ist die Gastronomie genau das Richtige!“ In Quito besuchte er erneut die Hochschule, eine spezielle für die Gastronomie, allerdings sehr praxisorientiert. „Und da habe ich meine Leidenschaft gefunden“, sagt Miranda, „wenn man nach 16 Stunden Arbeit immer noch Lust hat, dann hast du das Richtige gefunden.“

Die Liebe brachte ihn nach Deutschland

Der nächste Kontakt mit Deutschland ergab sich, als ihn ein ehemaliger Mitschüler fragte, ob er sich nicht mit deutschen Schülern treffen könne, die für ein Auslandssemester im Land seien. Er sagte ja und traf auf Daniela. Mit ihr ist er mittlerweile verheiratet und sie haben zwei kleine Kinder. Damals pendelten sie noch zwischen den Kontinenten, aber irgendwann wollte die junge Frau aus Ditzingen zurück zu ihrer Familie. Also packte Guillermo Miranda erneut seine Koffer. Immerhin: „Mit Integration musste ich mich nie beschäftigen“, sagt er, denn die deutsche Mentalität war ihm längst geläufig. „Es war recht einfach hier durchzustarten.“

Dies tat er zunächst als Koch in der Gutsschenke Monrepos. Auf seine erste Bewerbung kam die Frage: „Wann kannsch anfangen?“ Das tat er, immer aber mit dem Hintergedanken, etwas eigenes auf die Beine zu stellen. Weil das ecuadorianische Handelsbüro zwar auf Tourismusmessen vertreten ist,aber darauf verzichtete, die Küche des Heimatlandes zu präsentieren, klopfte er dort an. Weil es für seine Idee kein Konzept gab, startete er auf Sparflamme – und erntete eine Begeisterung wie jetzt in Stuttgart. So wurde aus der Thermobox mit kleinstem Equipment irgendwann der Foodtruck. Und es habe keinen Ausflug gegeben, an dem nicht mindestens ein Kunde zum Wagen kam und meinte: „Ihr seid die besten gewesen!“

Seco kommt nicht von trocken, sondern von second

Folglich nennt Guillermo Miranda den Schritt hin zum eigenen Restaurant auch ein kalkulierbares Risiko, eine gewisse Vorerfahrung war ja da. Weil Meerschweinchen, ein weiteres Nationalgericht, in Deutschland vermutlich nicht so gut angekommen wären, benannte er sein Lokal nach einem Schmorgericht: Seco. Das heißt so, weil britische Arbeiter den in Ecuador üblichen zweiten Gang, den Segundo, mit Second übersetzt haben. Dies wiederum kam bei den Einheimischen als Seco an. Das Schmorgericht ist alles andere als trocken, was seco übersetzt heißen könnte.

Zusammen mit seinem Team, Carlos und Marlin, ebenfalls aus Ecuador, habe er seit August an keinem Tag sagen müssen, dass es sich nicht gelohnt habe. Trotzdem: Man müsse in einem Restaurant die Zahlen immer im Blick haben. „Aber ich möchte auch nicht reich werden“, sagt Miranda, „viel wichtiger ist mir die Authentizität.“