Immer wieder bedienen Restaurants in Frankreich ihre Gäste am Tisch, obwohl das in Zeiten von Corona verboten ist. Der Staat will nun mit Strafen härter durchgreifen.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Paris - Angefangen hat alles mit einem Kaffee in der Mittagspause. „Du kannst doch schnell hinsitzen, um den Kaffee zu trinken“, schlug der Wirt vor. Neben dem Tresen, wo er die abgepackten Essen zum Abholen verkaufte, standen kleine Bistrotische und waren von der Straße aus nicht zu sehen. Laut Corona-Verordnung ist das natürlich verboten, aber es war ja nur kurz und ein entspanntes Schwätzchen in diesen einsamen Zeiten konnte nicht schaden. An den anderen Tischchen saß bereits eine Handvoll Gäste, alles Stammkunden, die dem kleinen Bistro in einem schicken Pariser Arrondissement auch in Zeiten der Pandemie die Treue hielten.

 

Ein kleines Stück Normalität

Einige Wochen später waren die Bistrotische am Mittag mit weißen Tischdecken überzogen. Es sei doch egal, ob man das Sandwich vor dem Lokal im Stehen isst oder hier sitzt, erklärte der Wirt – natürlich sei alles Corona-Konform und mit dem nötigen Abstand. Doch auch dabei sollte es nicht bleiben. Mitte Januar werkelte plötzlich wieder der Koch in der Küche, brutzelte am Herd Burger und dekorierte Salatschüsseln. Die Tische sind nun gedeckt und laden zum Hinsetzen ein. Der Laden ist um die Mittagszeit gut besucht, niemand regte sich auf – im Gegenteil. Die Kunden, die sich in ihrer Pause ein Sandwich auf die Hand holten, scheinen fast froh über dieses kleine Stück Normalität in diesen so seltsamen Zeiten.

Wegen des Profits mache er das nicht, sagt der Wirt, es sei eher eine Art Beschäftigungstherapie. Für die paar Essen sei er den ganzen Morgen unterwegs und zudem könne er nun seinen seit Monaten arbeitslosen Koch wieder anstellen und bezahlen. Der saß nämlich seit Beginn der Schließung der Restaurants im November zuhause in einer kleinen Wohnung in einem der unansehnlichen Vororte von Paris und wusste nicht, wie er seine Familie ernähren sollte.

Der langsame Weg in die Illegalität

Natürlich weiß der Wirt von einigen anderen Kollegen, die trotz des Verbotes Gäste an Tischen bedienen. Auch wird in den französischen Zeitungen immer wieder von diesen „restaurants clandestins“ berichtet – wobei die Grenzen des Verstoßes fließend sind. Es gibt jene Bistros, wo man sich zum Kaffee kurz hinsetzen darf. In einem Kebab-Haus kann man an den Tischen im rückwärtigen Bereich des Gastraumes zum Essen Platz nehmen. Und dann gibt es jene Restaurants, wo etwa Stammgäste sich anmelden können und abends für einen kleinen Kreis groß aufgetischt wird. Alle haben allerdings eines gemeinsam: sie arbeiten so diskret wie möglich und verdienen nicht genug, um die Ausgaben zu decken. Aber es reicht in den meisten Fällen zumindest, um die eigene Moral aufrechtzuerhalten.

Je länger die von der Regierung verordnete Schließung der Lokale dauert, desto lauter werden die Stimmen der Wirte, die ein Ende der Maßnahmen fordern. Im November hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron noch eine Öffnung der Restaurants für den 20. Januar in Aussicht gestellt, sollte die Gesundheitssituation es zulassen. Doch diese Aussage verwandelte sich ziemlich schnell in Schall und Rauch. Die Wiedereröffnung wurde jüngst angesichts der unverändert hohen Zahlen von über 20.000 Neuinfektionen pro Tag auf einen unbestimmten Zeitpunkt verschoben.

Der Staat kündigt harte Strafen an

Inzwischen sieht sich sogar die Regierung gezwungen, gegen die „restaurants clandestins“ vorzugehen. Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire hat Betreiber in diesen Tagen die Streichung finanzieller Mittel angedroht, sollten sich die Wirte nicht an die Regeln halten. Ein Gastronom, der seinen Laden öffne, bekomme einen Monat lang kein Geld aus dem Solidaritätsfond, sagte der erzürnte Minister dem Sender RTL. Wenn er es wieder tue, gebe es überhaupt keine Unterstützung mehr. Es sei eine „extrem schwierige Situation“ für die Gastronomie, aber das rechtfertige nichts, unterstrich Bruno Le Maire. Der Zorn der Wirte wird dadurch allerdings nur noch weiter angefacht. Inzwischen rufen manche Restaurantbesitzer dazu auf, ihre Betriebe trotz Corona zumindest am Mittag wieder ganz offiziell zu öffnen.

Der Besitzer eines angesagten Restaurants im Zentrum von Paris verriet der Tageszeitung „Le Parisien“, dass die Hilfe der Regierung von bis zu 10 000 Euro pro Monat eine große Erleichterung sei. Allerdings müsse er jeden Monat 20 000 Euro Miete bezahlen, das relativiere die Höhe der Unterstützung. Viele Wirte beklagen sich inzwischen auch über das Vorgehen der Banken, die oft keine Kredite mehr vergeben würden, um diese schwere Zeit irgendwie zu überbrücken.

Viele Restaurants wurden verwarnt

Die Meinung der Interessenverbände zu diesem Thema ist einhellig. „Wir verurteilen jede heimliche Eröffnung“, sagt Franck Delvau, Präsident des Hotel- und Gaststättenverbandes (Umih) im Großraum Paris. Er fordert die strikte Einhaltung der Regeln. Es sei besser, jetzt alles zu schließen, bis die Pandemie abgeklungen ist und dann unter den bestmöglichen Bedingungen wieder zu öffnen. Das Schlimmste sei es doch, fügt Franck Delvau hinzu, einige Wochen nach einer ungeordneten Öffnung wieder schließen zu müssen.

Allein die Präfektur in Paris hat seit Anfang November 207 Verwarnungen gegenüber Wirten ausgesprochen, die ihr Lokal illegal geöffnet haben. 14 Restaurants wurden geschlossen, weil sie sich wiederholt nicht an die Vorgaben gehalten haben. Natürlich müssen auch die Gäste in diesen Fällen mit einer Geldstrafe rechnen. Wer ohne guten Grund nach der Ausgangssperre um 18 Uhr die Wohnung verlässt, muss mindestens 135 Euro bezahlen.

Böses Erwachen für die Richter

Ein böses Erwachen gab es dieser Tage allerdings für die Gäste im Restaurant L’Annex auf der Île de la Cité im 4. Arrondissement von Paris. Das typisch französische Lokal, das nach eigenen Angaben während der Corona-Pandemie Essen zum Mitnehmen anbietet, liegt direkt neben dem Berufungsgericht und unweit der Polizeipräfektur. Einer Radstreife war nach Angaben der Tageszeitung „Le Figaro“ eines Mittags ein ungewöhnliches Treiben aufgefallen. Bei der anschließenden Kontrolle entdeckten die Polizisten eine Gruppe, die es sich auf einer kleinen, etwas abgetrennten Terrasse des Restaurants bei reichlich Champagner und leckerem Essen gut gehen ließ.

Als die Streifenpolizisten die Personalien aufnehmen wollten, wurde die Stimmung gereizt. Der Grund: die meisten der Anwesenden arbeiten als Richter am Berufungsgericht nebenan. Die Beamten ließen keine Ausrede gelten und verwehrten sich auch gegen Drohungen der Ertappten. Schließlich wurden zehn Personen eine Geldstrafe von 135 Euro aufgebrummt. Am Restaurant selbst sind inzwischen die Vorhänge geschlossen und die Schiefertafel mit dem Hinweis „L’Annexe est ouvert“ (Das Annexe hat geöffnet) wurde entfernt.