Bei den Retro Classics im Stuttgarter Dorotheen-Quartier kommen Liebhaber edler Automobile voll auf ihre Kosten.

Stuttgart - Samstag. Flohmarkt auf dem Karlsplatz. An einem Stand mit historischem Spielzeug wartet das Modell eines Alfa Romeo Spider auf einen Käufer. Wenige Fußminuten weiter parkt ein Verwandter des kleinen italienischen Flitzers in Originalgröße: Im Dorotheen- Quartier, wo ein weiteres Mal die Retro Classics zu Gast sind. Hier wird der Wagen von Freunden der Fahrkultur gebührend gewürdigt. Verdient hat er das auf diesem Fall auch aufgrund seiner Geschichte. 1966 wurde er im südafrikanischen Johannesburg durch einen Deutschen erworben. 1974 machte er sich auf den Weg nach Ebersbach. Da Luft- und Seeweg zu kostspielig gewesen wären, wurde es eine längere Reise.

 

Von Südafrika über Istanbul nach Deutschland

Vom 29. April bis zum 7. Juli 1974 fuhr der Spider die Route über Bombay, Kabul und Istanbul. „Jetzt genießt er seinen Ruhestand in gemütlicher Atmosphäre“, versichert ein Infoblatt an der Windschutzscheibe. Die Fahrzeugexperten der Retro Classics haben ihm am Wochenende ermöglicht, wieder etwas länger an die Luft zu kommen. Das freut auch den jungen Mann, der sich von einem Freund mit dem automobilen Klassiker fotografieren lässt. Via Smartphone. Wer Glück hat, begegnet im richtigen Moment den beiden Promoterinnen des Dorotheen-Quartiers, die Bilder mit der Sofortbildkamera schießen. Zum mitnehmen. Gewinnspiel inklusive.

Gehobenes Event für Oldtimer-Liebhaber

Horst Gerwig hat einen seiner persönlichen Hauptgewinne bereits dabei: Einen Austin Healey MK III. Erstzulassung: 1962. Der Stuttgarter besitzt das rote Schmuckstück seit 2004. „Meine Frau hat ihn damals im Internet gefunden“, erinnert er sich. Ein Freund habe sich gerade einen Oldtimer gekauft gehabt. „Da habe ich mich auch nochmal umgesehen. Der Healey hat mich schon in meiner Sturm- und Drangphase als junger Mann begeistert. Nur fehlte es eben am Geld.“ Aus Johannesburg musste er den Wagen nicht holen. Nur vom Tegernsee. „Er ist wirklich ein Glücksfall“, schwärmt Gerwig. „Ich hatte noch nie Probleme. Allein der Lack: Ich musste ihn noch nicht einmal polieren“. „Sind die Scheibenbremsen noch original?“ erkundigt sich ein Besucher der Fahrzeugschau. „Ja“, bestätigt der Inhaber des Austin Cabrios nicht ohne Stolz. Er genießt den Austausch mit Interessierten. „Die Retro Classics sind ein gehobenes Event“, lobt er die Veranstaltung. „Es ist eine tolle Sache, hier zu sein.

Retro-Schorle zur Oldtimer-Schau

„Die haben damals schon schöne Autos gebaut“, bemerkt eine Dame und nippt versonnen an ihrer Retro-Schorle. Rosé mit Tonic und Orange. Ihre uneingeschränkte Bewunderung gilt einem Rolls-Royce. Ralf (47) ist dem Mercedes Benz Cabrio von 1960 gegenüber kritischer: „Viel Platz hat man da drin ja nicht gehabt“, teilt er seiner Begleiterin beim Blick ins Wageninnere mit. „Das war ganz schön kuschlig.“ Das hölzerne Armaturenbrett begeistert ihn dann aber doch. Der Renault TL, der mit seinem leuchtenden Grün ins Auge sticht, wartet mit einer praktischen Lösung für Platzprobleme auf: Einem Dachgepäckträger. Ob die Koffer, ebenso wie der PKW, aus dem Jahre 1975 stammen, ist schwer zu sagen. Der Fokus der auto-affinen Flaneure liegt ohnehin auf anderen Details. „Das war die Limousine mit dem weltweit ersten Schrägheck“, konstatiert ein Kenner.

Die Neo Klassiker begeistern die Besucher

Gehören die Mittagsstunden den Oldtimern, so können sich Freunde der Fahrkultur nachmittags an den Neo Klassikern erfreuen. „Ich feier die Flosse!“, wird ein junger Besucher angesichts des Heckspoilers eines Sportwagens von Alpine geradezu euphorisch. Von der Eduard-Breuninger-Straße her weht jazzige Live-Musik herüber. Sogar die Sonne hat sich inzwischen hervorgewagt. Das freut nicht nur den Autoliebhaber mit dem Selfiestick, der sich eifrig ablichtet. Das Motto, das klein und unauffällig an einem Datsun 260 Z angebracht ist, trifft die Stimmung der gesamten Retro Classics: „Man gönnt sich ja sonst nichts.“