Das Land will den Bauern den Umstieg auf ökologisches Wirtschaften finanziell versüßen. Der Artschutzplan könnte Baden-Württemberg im Jahr bis zu 40 Millionen Euro kosten.

Stuttgart - Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) rechnet mit Kosten von 30 bis 40 Millionen Euro pro Jahr, wenn die Ziele der Koalition zum Artenschutz vollständig erreicht sind. Vor allem der Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel und der Umstieg auf den Ökolandbau schlügen zu Buche, sagte Hauk: „Etwa zwei Prozent Biofläche mehr bedeuten Mehrkosten von fünf Millionen Euro.“

 

Derzeit werden etwa 14 Prozent der Agrarfläche streng ökologisch bewirtschaftet. Gemäß dem Eckpunktepapier, auf das sich die grün-schwarze Koalition am 15. Oktober geeinigt hat und das an diesem Dienstag vom Kabinett verabschiedet wurde, soll der Anteil jedoch bis zum Jahr 2030 auf 30 bis 40 Prozent anwachsen.

Damit bleibt die Koalition allerdings noch deutlich hinter dem Ziel zurück, das sich die Initiative „Rettet die Bienen“ mit ihrem Volksbegehren gesteckt hat: Danach soll bis 2035 sogar für die Hälfte der landwirtschaftlich genutzten Fläche ökologische Kriterien gelten.

Gegen die Lichtverschmutzung

Nachdem der Gesetzentwurf von „Rettet die Bienen“ von verschiedener Seite als überzogen, ja selbst von Biobauern als existenzgefährdend kritisiert worden war, hat die Koalition eigene Eckpunkte entwickelt, die etwa bei Pflanzenschutzmitteln hinter dem Volksbegehren zurück bleiben. So soll etwa der Einsatz chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel zwar in Naturschutzgebieten ab 2022 verboten werden, nicht aber in Landschaftsschutzgebieten. Dort ist lediglich ein „restriktiver Einsatz vorgeschrieben“.

Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) legte am Dienstag aber Wert auf die Feststellung, dass die Eckpunkte auf einigen Feldern auch über das Volksbegehren hinausgingen – so etwa beim Artenschutz in Städten. So soll etwa das bestehende Verbot zur Versiegelung („dies betrifft insbesondere auch Schottergärten“) strenger überwacht werden.

Die Koalition setzt sich in den Eckpunkten auch zum Ziel, die Lichtverschmutzung einzudämmen: „Künstliche Beleuchtungen sind schädlich für Insekten“, heißt es dort. Und: „Sie sind daher auf das auch im Hinblick auf Sicherheit und Ordnung nötige Minimum zu reduzieren.“

Gesellschaftlicher Großkonflikt

Untersteller betonte, die Eckpunkte seien kein Kompromiss, sondern eine Weiterentwicklung des Volksbegehrens. Die Koalition wolle damit einen Weg aufzeigen, der für beide Seiten – Naturschützer wie Landwirte – gangbar sei: „Die Regierung hat ein Angebot gemacht.“ Ob es angenommen wird, wird sich vermutlich noch in diesem Jahr zeigen. Bis Weihnachten sollen die demnächst beginnenden Detailverhandlungen abgeschlossen sein, sodass ein Gesetzentwurf entstehen kann.

Sollte es tatsächlich gelingen, damit die bereits aufgerissenen Gräben zuzuschütten und einen sich abzeichnenden gesellschaftlichen „Großkonflikt“ zu vermeiden, dann könne die Koalition stolz auf ihr Eingreifen sein, sagte Untersteller. Hauk sagte jedoch auch, die rein „städtische Sichtweise“ des Artenschutzes sei „nicht geeignet, die Gesamtproblematik umfassend zu beurteilen“. Artendiversität gebe es nur, weil es Landbewirtschaftung gebe. Auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte: „Wir brauchen die Landwirte als Partner für den Erhalt der Kulturlandschaften.“

Freundlich, aber reserviert

Die beiden Bauernverbände verhalten sich bisher freundlich-reserviert zu dem Papier. „Wir stehen zu unserer Dialogbereitschaft und erwarten nun eine ergebnisoffene und zielorientierte Diskussion mit allen Beteiligten“, erklärte dieser Tage der Präsident des Landesbauernverbands, Joachim Rukwied. Sein badischer Kollege Werner Räpple sagte sogar: „Wir sind auch bereit, Kompromisse einzugehen, wenn sie für uns umsetzbar sind.“ An der Basis gibt es aber auch Kritik am Vorschlag der Koalition – vor allem am Ziel, die Pflanzenschutzmittel zu reduzieren.

Die Vertreter des Bienen-Volksbegehrens, die seit der Vorlage des Eckpunktepapiers das Sammeln von Unterschriften eingestellt haben, lobten die Landesregierung am Dienstag für ihre schnelle Reaktion, warnten aber: „Wir bleiben wachsam und beobachten ganz genau, wie die Eckpunkte in ein ambitioniertes Gesetz für Artenschutz gegossen werden“, so David Gerstmeier, einer der Sprecher der Initiative „Rettet die Bienen“.