Heute bei den Rettungsfliegern: Die Besatzung des Rettungshubschraubers Christoph 51 ist ständig einsatzbereit. Der Tagesablauf ist nie vorhersehbar, jederzeit kann ein lautes Klingeln den nächsten Notfall ankündigen. Der Job ist trotzdem begehrt.

Pattonville - Mit einem lauten Flapflapflap hebt Christoph 51 jedes Mal vom Flugplatz bei Pattonville ab, und dann ist er weithin zu sehen und zu hören – volle Aufmerksamkeit ist ihm garantiert. Kaum jemand wird bei seinem Anblick nicht darüber nachdenken, was passiert sein könnte. Warum also der Helikopter der DRF-Luftrettung im Einsatz ist.

 

So lange das Fluggerät aber im Hangar steht, ist von den Lebensrettern wenig zu sehen. Vielleicht entdeckt man mal im Vorbeifahren aus dem Augenwinkel heraus ein Stück des rot-weißen Hubschraubers, die Windhose oder das kleine Schild, das vor der Schranke angebracht ist. Dahinter: viel freier Rasen, ab und an ein Segelflieger, ein Hase, der schnell weg hoppelt und ein Bussard, der auf einer Stange sitzend die Szenerie beobachtet. Hierher verschlägt es höchstens mal Mitglieder der Fliegergruppe oder eben Zaungäste, die Flugzeuge beobachten oder wissen wollen, was auf dem weitläufigen Gelände vor sich geht.

Jedes Besatzungsmitglied hat ein eigenes Zimmerchen

Hinter der Schranke geht es über ein grasüberwuchertes Sträßchen zum unscheinbaren Flachbau der DRF-Luftrettung. Flugleiter Thomas Roth wartet vor der Tür, noch ist er entspannt. Es ist 7.45 Uhr. Die Station meldet sich erst um 8 Uhr bei der Leitstelle an, und die Lebensretter stehen von da an bis zum Sonnenuntergang auf Abruf bereit. Roth stammt aus Dinkelsbühl, und der mittelfränkische Zungenschlag ist ihm unverkennbar anzuhören.

Er lädt zunächst in die Küche der Station, eine schlichte Zeile mit dem Nötigsten, aber einem gut gefüllten Kühlschrank. Zwar haben die Rettungsflieger selten Gelegenheit, in Ruhe zu essen, aber wenigstens in den Abendstunden wollen sie etwas Gutes im Magen haben. „Ein Kollege kommt aus Bad Wurzach, einer aus der Darmstädter Ecke, da fährt man nicht abends kurz heim“, erklärt der Pilot. Für jedes Besatzungsmitglied gibt es ein eigenes Zimmerchen: ein Bett, ein Fernseher, Schränke, eine Nasszelle – spartanisch, aber praktisch.

Der Job erfordert viel Organisationstalent

Roth lässt den Helikopter mit dem Funkrufnamen Christoph 51 aus dem Hangar gleiten und bietet einen Kaffee an, bevor er sich an seinen Arbeitsplatz setzt. Drei davon gibt es in dem Ein-Zimmer-Büro. Roth gegenüber sitzt heute Jürgen Henker, Rettungsassistent und HCM, also Helicopter Emergency Medical Service. Henker ist ein alter Hase in dem Job, der viel Organisationstalent erfordert. In der Luft sucht er die Flugplatzfrequenzen raus, kümmert sich um die Navigation und den Funkverkehr. Wenn Roth landen will, behält Henker die Umgebung im Blick. Er ist es, der als erster nach dem Aufsetzen aus dem Hubschrauber springt.

Am zweiten Arbeitsplatz, links von Roth, sitzt Christian Schlottke, der Notarzt, auch der Anästhesist des Klinikums Ludwigsburg hängt am Hörer. Heute steht ein Krankentransport von Heilbronn nach Bad Winsheim an. Schlottke fragt beim Krankenhaus die Patientendaten und die Vorgeschichte ab. Alles, was der Patient benötigt, muss vorab an Bord geschafft werden. Der Mann wiegt rund 100 Kilogramm, erfährt Schlottke – eine wichtige Information für die Besatzung. Der Krankentransport hat nicht Priorität, er wird irgendwie in den Tagesablauf eingebettet, und der ist nicht planbar. Was auf sie zukommt, wissen die Besatzungsmitglieder nie.

Die Rotoren von Christoph 51 beginnen, sich zu drehen

Roth ist zunächst mit seinem Rechner beschäftigt. Der will nicht, wie der Flugleiter will. „Das erste Tagesproblem“, flachst er. Aber schließlich kann er doch das Wetter prüfen und einen Blick in verschiedene Webcams werfen. Der Pilot will wissen, wie hoch die Wolken stehen, ob ein Gewitter im Anzug ist. Böse Überraschungen mitten im Einsatz – das können er und die Patienten nicht brauchen. Roth verfolgt auf seinem Monitor, welche Helikopter sich gerade wo befinden, wer gerade auf dem Weg zu einem Einsatz ist, ob gerade Patienten transportiert werden.

Dann klingelt es plötzlich, und zwar in allen Ecken. Die Handys empfangen Kurznachrichten, das Faxgerät rattert. Ein Notfall. Es ist 8.16 Uhr. Die ersten Informationen sind dünn: Ein Sturz in Neuenstadt bei Heilbronn. Das reicht aber für den Anfang. Henker, Roth und Schlottke sind von einer auf die andere Sekunde heraus aus dem Büro, und die Rotoren von Christoph 51 beginnen sich zu drehen.

Während des Fluges bekommen sie alle weiteren Auskünfte. Zurück bleibt die Flasche Mineralwasser von Jürgen Henker – steht nur zu hoffen, dass kein heißer Tag bevorsteht, denn die Luft im Hubschrauber kann sich auf 50 Grad Celsius aufheizen. Zurück bleibt auch der Zettel an der Tür mit dem Hinweis „Bei Bedarf bitte Tujakübel an Windsack gießen.“ Vorerst wird ihn niemand beachten. Und zurück bleibt Christof Pfeifer, ebenfalls HCM und heute nur im Haus, weil Handwerker etwas erledigen müssen und die Station nicht verwaist sein soll.

Rettungssanitäter sind Mädchen für alles

Bis die drei zurückkommen, kann es dauern. Vermutlich werden sie Notfall und Patientenverlegung miteinander verbinden, wenn sie schon bei Heilbronn sind, und tanken müssten sie auch. Pfeifer übernimmt die Führung durch die Station. Wenn seine Kollegen zurück sind, werden sie sich nicht zurücklehnen können. Der Pilot muss ins System einspeisen, wie viel er getankt hat, wohin er geflogen ist und wann der Einsatz begann. Der Arzt muss ein Protokoll des Einsatzes verfassen.

Auch der HCM hat allerhand zu tun. Nach jedem Transport muss alles, was mit dem Kranken oder Verletzten in Berührung kam, desinfiziert werden. Aufgebrauchtes Material muss ersetzt werden. Jeden Tag wird die Einsatzkleidung gereinigt. „Wir Rettungssanitäter sind hier die Mädchen für alles“, erzählt Pfeifer. Seit 2006 fliegt Pfeifer im Rettungshubschrauber mit. Er ist gelernter Rettungsassistent und Kinderkrankenpfleger, war im Rettungsdienst tätig und später im Krankenhaus. Aber er wollte wieder raus und dort sein, wo es brennt – beim Patienten.

Im Hangar weist Pfeifer noch auf den Kran für einen Triebwerkswechsel hin. Damit Christoph 51 bei einem Schaden am nächsten Tag gleich wieder einsatzfähig ist, werden notfalls Reparaturen über Nacht erledigt. So sind Roth und seine Kollegen am nächsten Tag um Punkt 8 Uhr wieder bereit. Und wahrscheinlich wird wieder der Kaffee kalt, ehe sie ihn trinken können.