Beim Rettungswesen im Kreis Ludwigsburg wird nachgebessert – um künftig gesetzliche Hilfsfristen einzuhalten. Auch andernorts wird viel investiert, um die vorgeschriebenen Quoten nicht mehr zu verfehlen.

Kreis Ludwigsburg - Schnell, effektiv und am Patienten orientiert: so sollen die Rettungsdienste ihre Arbeit erledigen. Doch nach Prinzipien soll, so hört man, am Dienstagmittag auch der Bereichsausschuss für den Landkreis Ludwigsburg gearbeitet haben. Das Gremium ist für das Rettungswesen zuständig. Eigentlich ist Uneinigkeit dort die Regel, immerhin sitzen paritätisch die Rettungsdienste und die Krankenkassen dort. Jetzt aber hat sich der Ausschuss auf weit reichende Verbesserungen für den Kreis geeinigt.

 

Die größte Überraschung ist, dass in Vaihingen tagsüber ein neuer Notarzt-Standort, vermutlich am Krankenhaus, eröffnet werden soll. Die in Ditzingen stationierten Notärzte sollen künftig auch Abends und am Wochenende im Einsatz sein – bisher endete die Schicht werktags nach zwölf Stunden. Außerdem werden künftig zwei Notarztteams am Klinikum Ludwigsburg rund um die Uhr einsatzbereit sein, bisher war eines davon 16 Stunden werktags und zwölf Stunden am Wochenende aktiv. Ein zusätzlicher Rettungswagen soll tagsüber in Ludwigsburg stationiert werden, ein weiterer wird eine Stunde länger und am Wochenende im Einsatz sein.

Kosten dürften im Millionen-Bereich liegen

Diese ungewöhnlich rasche Einigung über derart weit reichende und teure Maßnahmen (die Kosten dürften im siebenstelligen Bereich liegen) hat einen konkreten Hintergrund. Auf Anweisung des Innenministeriums haben die Bereichsausschüsse, in denen die gesetzlichen Hilfsfristen nicht eingehalten werden, jüngst Post vom Regierungspräsidium Stuttgart (RP) bekommen. Wenn die Gremien nicht unverzüglich einen „Masterplan“ vorlegten, in denen erläutert werde, wie die Fristen künftig einzuhalten sind, müsse die Rechtsaufsicht in Gestalt der Landratsämter oder des RP aktiv werden, hieß es in dem Schreiben.

In den Kreisen Ludwigsburg, Esslingen, Göppingen und Böblingen galten die Werte für 2014 als problematisch. Einige Kreise sind bereits aktiv geworden (siehe „Heilung für schlechte Zahlen“). Das Rettungsdienstgesetz des Landes schreibt vor, dass sowohl ein Notarzt als auch ein Rettungssanitäter spätestens 15 Minuten nach der Alarmierung auch am Einsatzort sein muss. Unlängst war bekannt geworden, dass die Werte im Kreis Ludwigsburg auf 93,7 Prozent (Rettungswagen) und 93,9 Prozent (Notarzt) gefallen sind. Als Problemzonen galten vor allem das Strohgäu sowie Eberdingen und Vaihingen.

Politischer Druck statt Gesetzesnovelle

Ursprünglich hatte das Innenministerium eine Entschärfung der Hilfsfristen geplant: die Frist für Sanitäter sollte auf zwölf Minuten verkürzt werden, Notärzte sollten sich jedoch bis zu 18 Minuten Zeit lassen können. Die Reform ist vom Tisch. Stattdessen entschied sich das Ministerium für den Weg der Dienstaufsicht. Der Vorsitzende des Bereichsausschusses Ludwigsburg gab sich am Dienstag zuversichtlich, dass mit diesen Maßnahmen die gesetzlichen Fristen eingehalten werden.

Heilmittel für schlechte Zahlen

Post:
Einige, aber offenbar nicht alle Bereichsausschüsse mit Problemen bei den Hilfsfristen haben kürzlich Post vom Regierungspräsidium bekommen. Post hat etwa der Kreis Böblingen erhalten. Daraufhin wurde beschlossen, ein neues Notarztfahrzeug und einen zusätzlichen Rettungswagen am Klinikum Sindelfingen und einen Notarzt am Krankenhaus Herrenberg zu stationieren. Auch Esslingen hat schon reagiert. In Echterdingen wurde ein zweiter Rettungswagen angeschafft, der Notarzt in Plochingen arbeitet rund um die Uhr, zudem soll es von August an einen neuen Krankentransportwagen, der nachts unterwegs ist, geben. Auch ist ein neuer Standort für einen Rettungswagen in Owen im Gespräch.

Keine Post
: Auch im Landkreis Göppingen wurde die Frist bei den Notärzten nicht erreicht – die Quote lag bei 93,2 Prozent. Laut der Sprecherin des Landratsamts, Julia Schmalenberger, traf aber kein entsprechender Brief ein. Gehandelt habe man dennoch schon. Seit Anfang 2015 gibt es einen dritten Notarzt-Standort im Kreis mit Sitz in Süßen. „Erste Auswertungen zeigen eine positive Entwicklung“, teilt die Sprecherin mit. Im Rems-Murr-Kreis und in Stuttgart wurden die Fristen zuletzt eingehalten.

Kommentar – „Kostspieliges Herumdoktern“

Notärzte - Das Rettungswesen ist ein hoch emotional besetztes Gebiet. Jeder will, dass in medizinischen Notfällen möglichst schnell Hilfe kommt. Deswegen kann auch niemand dagegen sein, dass im Landkreis Ludwigsburg für rund eine Million Euro – Geld von den gesetzlich Versicherten – neue Notarztstandorte und Rettungswagen finanziert werden. So weit, so einfach.

Bei näherem Betrachten ist jedoch zweierlei festzuhalten. Erstens: es gibt keinen medizinischen Grund für die strengen, doppelten 15-Minuten-Hilfsfristen. Zweitens: das Innenministerium hätte durch eine Verkürzung der gesetzlichen Rettungswagen-Frist auf zwölf Minuten eine echte Verbesserung erreicht. Immerhin sind künftig ohnehin nur noch bestens ausgebildete Notfallsanitäter im Einsatz. Dass der Notarzt sich dann etwas mehr Zeit lassen kann, erscheint sinnvoll. Offenbar hatte das Ministerium nun Angst, dass das Thema im Wahlkampf hochkochen könnte und verwarf die sinnvolle Reform. Schade, dass nun die überzogenen Fristen weiter ein Thema bleiben und ein weiteres, viel wichtigeres überdecken: die Qualität der Behandlung von Notfallpatienten.