Die Corona-Pandemie stürzt viele europäische Staaten in die Rezession. Wie kann die EU gemeinsam gegensteuern? Nach heftigem Streit scheint man sich wieder anzunähern.

Berlin/Brüssel - Trotz des bitteren Streits über Corona-Bonds bahnt sich ein erster Kompromiss über europäische Finanzhilfen in der Wirtschaftskrise an. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur könnten sich die EU-Finanzminister kommende Woche zunächst auf die Nutzung dreier bekannter Instrumente einigen und die Streitfrage gemeinsamer europäischer Schulden bis zur „Wiederaufbau-Phase“ aufschieben. Am Freitag hieß es aber von Beteiligten: „Wir sind noch nicht am Ziel.“

 

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen plädierte in der ZDF-Sendung „Was nun?“ ebenfalls für Hilfen, die kurzfristig verfügbar und konsensfähig sind: „In der Tat müssen wir alle die Instrumente jetzt auf den Tisch legen, die wirksam sind, die wir schnell einsetzen können und die Europa einen und nicht spalten.“ Die Details müsse die Eurogruppe klären.

Neue Modelle bis Dienstag

Die EU-Staaten hatten sich bei einem Videogipfel vorige Woche über die Frage zerstritten, ob Corona-Bonds - also gemeinsame europäische Anleihen zur Finanzierung der EU-Staaten - in der Krise nötig sind. Italien, Spanien und andere wollen sie, Deutschland, die Niederlande sind dagegen. Die EU-Finanzminister sollen bis Dienstag neue Modelle entwickeln.

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Nach dpa-Informationen könnten Frankreich und Deutschland gemeinsam ein Programm mit drei Pfeilern vorschlagen. Wie aus einer Vorlage für die Minister hervorgeht, geht es einerseits um vorsorgliche Kreditlinien des Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM, die schwer getroffenen Eurostaaten wie Italien helfen könnten. Zum anderen soll die Europäische Investitionsbank EIB mit bis zu 50 Milliarden Euro Kredite nationaler Banken absichern. Drittes Element sind die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Hilfen von bis zu 100 Milliarden Euro für Kurzarbeit in den EU-Staaten - das Konzept „Sure“.

„Das ist gelebte europäische Solidarität“

Von der Leyen warb im ZDF-Interview für „Sure“, das sei ein „einigender Vorschlag“: „Das ist gelebte europäische Solidarität.“ Das Konzept sieht vor, dass die EU-Staaten Garantien über 25 Milliarden Euro zusagen. Mit dieser Rückendeckung will die EU-Kommission 100 Milliarden Euro am Kapitalmarkt aufnehmen und als Kredite an jene Staaten weitergeben, die sich selbst nicht so günstig finanzieren könnten.

Zur Nutzung des Eurorettungsschirms ESM sagte von der Leyen, bei den erwogenen Kreditlinien seien die Finanzminister „sehr tief im Gespräch“ über die damit verbundenen Bedingungen. Darüber werde gerade verhandelt.

In dem Vorbereitungspapier für die Finanzminister heißt es, aus dem ESM könnten die Mitgliedsstaaten Kredite in Höhe von maximal zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts bekommen - unter der Voraussetzung, dass die Mittel zur Bewältigung der Corona-Krise eingesetzt werden. Das mögliche Programm der Europäischen Investitionsbank EIB soll nationale Förder- und Geschäftsbanken bei kurzlaufenden Betriebsmittelkrediten und Brückenfinanzierungen bis zu 80 Prozent absichern.

Giuseppe Conte: Nötig sei ein gemeinsamer Aufbau-Plan

EU-Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis bestätigte am Freitag, dass an einer Nutzung des ESM gearbeitet werde. „Wir sind der Ansicht, dass er unter den jetzigen Bedingungen genutzt werden sollte“, fügte er hinzu. Auf eine Frage nach Corona-Bonds sagte Dombrovskis: „Wir prüfen alle politischen Möglichkeiten.“ Er betonte jedoch, dass vor allem dem nächsten europäischen Haushaltsrahmen besondere Bedeutung zukomme. „Das wird unser Marshall-Plan, um die Erholung zu finanzieren.“

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Der italienische Regierungschef Giuseppe Conte beharrt dagegen auf gemeinsamen europäischen Bonds und spricht nun von „Europäischen Wiederaufbau-Anleihen“. In einem italienischen Text für „La Repubblica“ benutzte er das englische Wort „European Recovery Bonds“. Der Begriff „Corona-Bonds“ fiel nicht. Kritiker der Bonds führen auch an, dass ihre Einführung einen langen Vorlauf hätte.

Conte dankte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen insbesondere für den Vorschlag des Kurzarbeiter-Programms „Sure“. Doch das reiche nicht, nötig sei ein gemeinsamer Aufbau-Plan.