In den kommenden Wochen wird entschieden, ob das Riesenteleskop SKA in Südafrika gebaut wird. Das Land hat viel in die Bewerbung investiert.

Johannesburg - Die Straße zieht sich schnurgerade durch das endlos erscheinende, nur von einzelnen kniehohen Büschen bewachsene öde Terrain. Außer einem gelegentlichen Windrad aus Blech bewegt sich hier nichts. Auch die hin und wieder als helle Flecken zwischen den Büschen auftauchenden Schafe sind von der Hitze wie erstarrt. Selbst die Zeit scheint hier stillzustehen: In der Halbwüste Karoo im Herzen von Südafrika könnte man statt 2012 auch das Jahr 1822 schreiben.

 

Plötzlich tauchen am Horizont jedoch wie eine Fata Morgana mehrere riesige weiße Champignons auf: sieben Satellitenschüsseln mit einem Durchmesser von knapp 15 Metern, die einmal Teil der größten Radioteleskopie-Anlage der Welt sein sollen. Wenn es nach dem Willen der südafrikanischen Regierung geht, werden hier in zwölf Jahren fast 2000 der überdimensionalen Pilze stehen, weitere Antennen werden aus anderen afrikanischen Ländern zugeschaltet. Mit ihnen wollen Wissenschaftler bis zu 13 Milliarden Jahre zurück in die Vergangenheit des Universums lauschen. "Theoretisch könnten wir damit sogar den Urknall hören", sagt Astronom Justin Jonas. Allerdings sind diese elektromagnetischen Strahlen inzwischen von Gaswolken im All aufgefangen worden.

"Das hier ist der ideale Standort", sagt der 53-jährige Südafrikaner und lässt seinen Arm über das Umland schweifen. Kein anderer Ort der Erde erfülle die Voraussetzungen für die gigantische, von Astronomen aus aller Welt bereits seit mehr als einem Jahrzehnt anvisierte Anlage besser. Mit 1000 Metern über dem Meeresspiegel liegen die weißen Pilze relativ hoch, die Luft ist das ganze Jahr über bis in hohe Luftschichten hinein trocken, vor allem aber ist die Gegend frei von der Strahlenkakophonie, die Mobilfunknetze und Rundfunkstationen andernorts anrichten. Im zweihundert Kilometer weiten Umkreis der Pilze leben höchstens ein paar Tausend Menschen. Sie konnten sich noch nie auf ihren Rund- und Mobilfunkempfang verlassen und müssen in Zukunft womöglich ganz darauf verzichten: denn Südafrikas Regierung hat die Region zum "astronomischen Schutzgebiet" erklärt.

"Unser größtes Problem ist unser Image"

Die Regierung tut auch sonst alles dafür, das drei Milliarden Dollar teure Prestigeprojekt ans Kap der Guten Hoffnung zu holen. Konkurrent bei der Ausschreibung des sogenannten Square Kilometer Array (SKA) ist Australien. Das von Repräsentanten aus sieben Staaten besetzte SKA-Direktorium will in den kommenden Wochen darüber entscheiden, wer den Zuschlag erhält - eine Entscheidung, der Derek Hanekom, Südafrikas Vizeminister für Wissenschaft und Technologie, mit gedämpfter Zuversicht entgegensieht. "Unser größtes Problem ist unser Image", sagt der ANC-Politiker: Während Australien als Teil des Westens gelte, habe Südafrika gegen den Vorbehalt der Afropessimisten anzukämpfen, die dem Kontinent nichts Gutes zutrauen.

Tatsächlich könne Südafrika aber in der Astronomie gut mithalten, findet Hanekom. Die Universitäten in Kapstadt und Johannesburg zögen Lehrkräfte und Studenten aus aller Welt an. Zudem verfüge das Land über einen Supercomputer namens Roach, der bei der Auswertung der von dem Radioteleskop eingefangenen Daten eine zentrale Rolle spielen soll. Und nicht zuletzt wollen die Forscher die benötigen Satellitenschüsseln direkt vor Ort in einer Halle in der Wüste produzieren: "Wir können nämlich keineswegs nur eine tadellose Fußball-WM organisieren", scherzt Hanekom.

Um Kompetenz und guten Willen zu zeigen, hat die Regierung daher die aus sieben Satellitenschüsseln bestehende Anlage KAT 7 aus eigener Tasche bezahlt und will sie im kommenden Jahr noch ausweiten. Mit 64 Satellitenschüsseln wird diese 170 Millionen Euro teure Anlage mit dem Namen MeerKAT eine eigenständige und ausgewachsene wissenschaftliche Einrichtung sein, selbst wenn Südafrika den Zuschlag für das SKA nicht bekommen sollte. Schon heute sei die Anlage auf fünf Jahre hinaus ausgebucht, sagt Jonas stolz, obwohl sie erst 2016 fertig werden wird.

Astronomie als Teil der südafrikanischen Kultur

Zu den Nutzern der Anlage wird gewiss auch einmal Sukuma Mkhize gehören, der derzeit ein Praktikum bei KAT 7 absolviert. Der 25-Jährige zählt zu der wachsenden Zahl junger schwarzer Südafrikaner, die sich dem Studium der Astronomie zuwenden - nicht zuletzt der 300 Stipendien wegen, die Südafrikas SKA-Verantwortliche bereits vergeben haben. Ziel der Anstrengung sei nämlich auch, die Astronomie als Teil der südafrikanischen Kultur zu verankern, sagt Jonas. Der im Zululand aufgewachsene Mkhize wurde in der neunten Schulklasse durch die Lektüre von Einsteins Relativitätstheorie zu seinem ungewöhnlichen Karrierewunsch bewegt: "Das", sagt der junge Forscher, "hat mich nicht mehr losgelassen."

Mit Hilfe des SKA will Mkhize einmal das Rätsel lösen, warum ein Schwarzes Loch Elektronen ausspeit, obwohl es doch eigentlich dermaßen gravitationsstark ist, dass ihm gar nichts entkommen kann. Andere Forscher erhoffen sich von SKA Aufschlüsse über die sogenannte Epoche der Reionisierung: Das ist die Zeit, die 500 Millionen Jahre nach dem Urknall begann, als sich aus der ultraheißen Materiesuppe die ersten Sterne zu bilden begannen. "Und selbstverständlich werden wir auch jenen Signalen nachgehen", verspricht Jonas, "die uns von anderen intelligenten Wesen aus dem Universum zugesandt werden."

Die superschnelle Glasfaserverbindung, die das Feld der Pilze in der Karoo mit dem Kontrollzentrum in Kapstadt verbinden wird, ist schon verlegt. Auch die Pläne für die künftige Computerzentrale sind fertig, die als Bunker in den Wüstenboden eingelassen werden muss, damit ihre eigene Strahlung die Messungen nicht beeinflusst. Nur eines ist noch ungewiss: Ob das ganze Projekt - Ausschreibung hin oder her - überhaupt zustande kommt. Die USA haben sich bereits aus dem SKA-Konsortium ausgeklinkt, Deutschland war noch nie dabei. Von den benötigten drei Milliarden US-Dollar warfen die sieben derzeitigen Mitgliedsnationen bisher erst knapp hundert Millionen in den Topf. Wo bei der gegenwärtigen Weltwirtschaftslage der Rest herkommen soll, ist ungewiss. Doch Astronomen pflegen in größeren Zeitspannen zu denken, macht Justin Jonas deutlich: "Wenn wir mit MeerKAT erfolgreich sind, wird das Geld für das SKA schon irgendwann kommen."