Ein neuer Busbahnhof, eine neue Stadtbahntrasse, Unterführungen, vielleicht ein neues Hauptgebäude – das gesamte Bahnhofsareal in Ludwigsburg wird in den kommenden Jahren umgestaltet. Die Stadt setzt viele Hoffnungen in das Großprojekt.

Ludwigsburg - Es ist ja nicht so, dass nichts passiert wäre. Seit der Oberbürgermeister Werner Spec vor Jahren das Credo ausgegeben hat, Ludwigsburg brauche einen „Wohlfühlbahnhof“, wurde die Unterführung zu den Gleisen aufgehübscht, außerdem dudelt nun Musik aus den Lautsprechern, um gestresste Pendler zu entspannen. Aber: Der große Wurf ist das alles nicht, und so richtig wohl fühlt sich dort wohl noch niemand. Dass bisher nicht mehr getan wurde, liegt auch daran, dass sich die Stadt und der Landkreis lange nicht auf eine Linie zum Bau der Stadtbahn einigen konnten – denn diese soll von 2030 an auf ihrem Weg von Remseck nach Markgröningen auch mitten über den Ludwigsburger Bahnhofsvorplatz fahren.

 

Solange unklar war, ob die Bahn kommt, konnte Ludwigsburg auch den Umbau des Bahnhofareals nicht vorantreiben. Am Dienstag gelang nun tatsächlich der Durchbruch: Das Rathaus und das Landratsamt erklärten alle Konflikte für beendet und bekannten sich zur Tram. Gemeinsam. Und das heißt: Es darf gebaut werden.

Die Stadtbahn

Die Stadtbahn wird sich über die Leonberger Straße dem Bahnhof nähern – und dort auf den kompliziertesten Abschnitt der gesamten Trasse einbiegen. „Sie wird direkt über den Busbahnhof geführt“, erklärt Baubürgermeister Michael Ilk. Da es sich um eine Niederflurbahn handelt, können die Fahrgäste direkt auf der Mittelinsel aus- und in den Bus umsteigen. Hohe Bahnsteige sind obsolet. Nach der Haltestelle macht die Tram eine Kurve um das Bahnhofsgebäude, um sich an der Mündung eines Autotunnels vorbeizuschlängeln, der unter dem Bahnhof verläuft. Pläne, die Bahn direkt durch diese Röhre zu leiten, werden nicht weiterverfolgt. „Wir brauchen den Tunnel für die Autos“, sagt Spec.

Schon diese Stelle ist extrem eng, aber es wird noch kniffliger. Hinter der Tunnelöffnung verläuft eine Straße; daneben ist zwar genug Platz, aber das Grundstück gehört einem Unternehmen. Die Stadt ist allerdings zuversichtlich, bald eine Lösung mit dem Inhaber zu finden. Dahinter folgt der sogenannte Schillerdurchlass unter der Eisenbahn- und S-Bahn-Strecke. Wenn die Tram im engstmöglichen Radius durch diese Unterführung fahren würde, die zudem noch von Autos, Radfahrern und Fußgängern genutzt wird, müsste sie auf Schritttempo abbremsen. Die Zeiteinbuße wäre enorm. „Wir planen daher einen neuen Tunneldurchstich“, sagt Ilk. Dieser soll schräg verlaufen, sodass die Bahn in einer sanften Kurve auf die gegenüberliegende Schlachthofstraße einbiegen kann, um dann endlich freie Fahrt nach Markgröningen zu haben. Ein weiterer Stadtbahnast würde vom Bahnhofsvorplatz in die City und nach Oßweil führen.

Der Busbahnhof

Der Zentrale Omnibusbahnhof (ZOB) neben den Gleisen ist nicht nur unübersichtlich, viel schlimmer: Er ist gefährlich. Wer zu den Haltestellen will, muss breite Straßen überqueren, über die täglich 1600 Busse brettern – oft mit zu hoher Geschwindigkeit. Barrierefrei ist das Ganze auch nicht. „Der ZOB ist ein Flickenteppich“, sagt Ilk. Schon Anfang 2017 lobte die Stadt einen Wettbewerb aus, in dem Architekten und Planungsbüros Vorschläge für die Umgestaltung entwickelten.

Zumindest die Ziele sind seither klar definiert: Mehr Platz für Fußgänger und Radfahrer am Rand, weshalb dort unter anderem ein Ein-Euro-Shop, ein Backshop und ein Dönerladen weichen müssen – die Ladenzeile neben dem Bahnhofsgebäude verschwindet. Die Gehwege werden breiter, und auch die Mittelinsel wächst, weil dort zwischen den Bussen künftig die Stadtbahn hält. Die Plattformen werden barrierefrei, die Überdachungen sollen hell und modern werden und möglichst die „Umsteigewege zum Schienenverkehr“ mit einschließen.

Im Detail unterscheiden sich die Entwürfe teils deutlich. Einige Experten empfehlen, die Busse – wie heute – längs zu den Bürgersteigen am Rand und längs zur Mittelinsel halten zu lassen. Andere raten zu einer Sägezahnanordnung, also mit quer stehenden Haltebuchten, sodass die Fahrzeuge leicht in den Straßenraum hineinragen. Entschieden ist noch nichts.

Nach dem Durchbruch in der Stadtbahn-Debatte kann das Rathaus jetzt alle diese Vorschläge in ein Konzept gießen, über das die Stadträte bald abstimmen sollen. Eile ist geboten, weil die Stadt den Umbau bis Ende September anmelden muss, damit ihr kein Fördergeld flöten geht. Im Jahr 2020 sollen die Bagger anrücken.

Die Unterführung

Der Bahnhof verfügt über nur eine Unterführung zu den Gleisen – zu wenig. In Stoßzeiten ist der Tunnel, der im Hauptgebäude beginnt, komplett überlastet. Ebenfalls 2020 soll daher damit begonnen werden, weiter südlich, am ZOB, eine weitere Röhre zu graben. Ursprünglich war vorgesehen, dass diese westlich der Gleise auf Höhe der Nestlé-Fabrik wieder ins Freie führt. Nestlé aber hat das Caro-Werk geschlossen, und zurzeit ist unklar, was mit dem Grundstück geschieht. Auf dieser Seite kann die Stadt also vorerst kein Loch graben.

Auf der anderen, am ZOB, sehr wohl. „Wir planen die Unterführung als Sackgasse“, sagt Ilk. Das bedeutet: Man kommt vom Busbahnhof durch die Röhre ruckzuck zu den Zügen und S-Bahnen, aber eben nicht in die Weststadt. Sobald ein Eigentümer für das Nestlé-Areal gefunden ist, wird die Stadt diesen sicher mal anrufen und fragen, ob sie auf seinem Grundstück ein Loch buddeln darf. Ein Durchstich hätte auch den Vorteil, dass die Fußgängerbrücke über den Schienen nicht mehr benötigt würde. Das Metallmonster namens Franck-Steg macht keinen guten Eindruck mehr. „Noch steht er sicher“, so Ilk. „Und so lange das der Fall ist, lassen wir ihn stehen.“ Aber sanieren werde man den Steg nicht mehr. Die Zukunft gehört der Unterführung.

Das Hauptgebäude

Es soll Touristen geben, die verzweifelt vor dem Ludwigsburger Bahnhof stehen und nach dem Bahnhof suchen. Von außen hat das 1992 errichtete Gebäude die Anmutung eines Shoppingcenters, im Innern gleicht es einem in Beton gegossenen Irrgarten: verwinkelt, mit schmalen Treppen, dunklen Ecken. Besonders ist an dem Klotz, dass er nicht der Bahn gehört, sondern der Münchner Immobilienfirma Dibag. Für die Stadt ist das ein Problem – sie hofft auf einen Abriss und kleiner dimensionierten Neubau. „So wie das Gebäude dasteht, ist es keine Zierde“, sagt Ilk.

Die Dibag aber mag ihren Bahnhof. „Das Gebäude ist gut instand gehalten worden und in einem vernünftigen Zustand“, sagt Regionalleiter Sven Kübler. Das Unternehmen vermietet darin Büros, vor allem aber Flächen für Einzelhandel. Vom „Kaufhaus mit Gleisanschluss“ sprechen Ludwigsburger spöttisch, aber Kübler ficht das nicht an. „Handel ist perfekt, um dort vernünftiges Leben reinzubringen“, sagt er. Man könne aus einem Bahnhof kein Fünfsternehotel machen.

Bewegung kommt trotzdem in das Haus. Der größte Mieter ist die amerikanische Spielwaren-Kette Toys-R-Us, doch der Vertrag endet bald, und weil der Konzern Insolvenz angemeldet hat, gilt eine Verlängerung als unwahrscheinlich. Kübler deutet an, dass jede Veränderung die Chance biete, etwas zu optimieren, auch am Gebäude. „Irgendwann werden wir das machen.“ Ob schon der mögliche Auszug von Toys-R-Us die Dibag zu einem Umbau motivieren könnte, beantwortet Kübler nicht. Aber er sagt überraschend klar, was ganz sicher ein geeigneter Anlass wäre, Geld in die Hand zu nehmen: Wenn ringsum alles modernisiert werde, werde auch die Dibag „ihrer Verantwortung gerecht. Alles andere würde uns nicht gut anstehen.“